Deutschland ist weltweit Schlusslicht beim 
Kinderkriegen. 8,28 Kinder pro 1.000 Einwohner, verkündete eine 
Studie des Hamburger Weltwirtschaftsinstituts vor wenigen Tagen. 
Frankreich und Großbritannien kommen immerhin auf 12,7. Doch der 
Aufschrei blieb aus. Verwunderlich, denn Deutschland muss sich 
dringend bewegen, muss kinderfreundlicher werden und sich für andere 
Sorge-Gemeinschaften öffnen. Das wird derzeit auch auf verschiedenen 
Podien beim Kirchentag in Stuttgart diskutiert. Jungen Menschen fehlt
einerseits Sicherheit: Sie leiden unter befristeten Verträgen, 
Betreuungsengpässen und der Tatsache, dass Kinder ein Armutsrisiko 
darstellen. Doch auch ihre Eltern-Generation hat trotz nicht immer 
absehbarer beruflicher Laufbahn und unsicherer finanzieller Lage 
Kinder bekommen. Es hat ein Stück weit auch mit Selbstverwirklichung 
zu tun. Das Modell Alleinverdiener sowie Hausfrau und Mutter hat 
ausgedient. Junge Frauen sind meist besser ausgebildet als ihre 
männlichen Zeitgenossen, sie wollen nicht jahrelang an ihrer Karriere
basteln und nach der Geburt eines Kindes doch wieder den Männern die 
Führungspositionen überlassen. Es hat aber auch mit dem 
Perfektionswahn beim Thema Mutterschaft zu tun. Wenn eine junge 
Mutter alle Anforderungen, die auf sie einprasseln, erfüllen möchte, 
muss sie wohl zu Hause bleiben oder in Teilzeit arbeiten. Mit Sätzen 
wie „Eine Mutter gehört zu ihrem Kind“ oder „Ich bekomme doch keine 
Kinder, um sie dann wegzugeben“ müssen sich Mütter immer wieder ein 
schlechtes Gewissen einreden lassen. Und viele haben immer noch nicht
verinnerlicht, dass Erziehungsarbeit Frauen und Männer betrifft. 
Junge Männer wollen sich heute an Erziehungsaufgaben beteiligen, 
ihnen wird eine längere Elternzeit aber oft – noch mehr als den 
Frauen – als Nachteil für die Karriere oder gar Schwäche ausgelegt. 
Denn leider sind Unternehmen immer noch nicht offen genug, wenn junge
Väter mehr Elternzeit nehmen möchten, als die fast schon 
obligatorischen zwei Monate. „Das sieht mein Chef nicht gerne, das 
traue ich mich gar nicht zu fragen“, hört man da. Warum? Bei Frauen 
rechnen Arbeitgeber automatisch mehrere Monate Pause ein. Sollte das 
bei Vätern nicht auch normal sein? Schließlich brauchen auch die 
Unternehmen langfristig den Nachwuchs. Sie sollten also flexiblere 
Arbeitszeitmodelle anbieten und Familien unterstützen. Dazu kommt, 
dass sich das Bild von Familie wandeln muss. Warum werden zwei 
Frauen, die Verantwortung füreinander übernehmen und nach jahrelanger
Beziehung eine eingetragene Lebenspartnerschaft eingehen, immer noch 
Steine in den Weg gelegt, wenn sie Kinder gebären oder adoptieren 
möchten? Das Argument „da fehlt doch die männliche Bezugsperson“ ist 
angesichts der Quote an Alleinerziehenden nicht wirklich überzeugend.
Und das Pochen auf der biologischen Elternschaft ist Unsinn. Die 
evangelische Theologin Isolde Karle sagte beim Kirchentag: „Soweit 
ich mich erinnere, ist die Vaterschaft Jesu auch nicht ganz geklärt.“
Auf die soziale Elternschaft kommt es an. Familie ist vielfältig – 
das ist eine Chance, die viele noch nicht wahrgenommen haben.
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