Neue Westfälische (Bielefeld): Kommentar: FDP in der Krise Was will Rösler? ALEXANDRA JACOBSON, BERLIN

Nur eines ist derzeit bei der FDP ganz sicher:
Beneiden darf man den künftigen Parteichef Philipp Rösler nicht. Die
Liberalen liegen völlig entkräftet am Boden. Kein Mensch weiß, was
die Freidemokraten inhaltlich vertreten. Mit ihrer Fixierung auf
Wirtschaft und Finanzen ist die FDP in der schwarz-gelben
Bundesregierung baden gegangen. Statt den Lobbys Einhalt zu gebieten,
die am Staat ziehen und zerren, hat gerade die FDP die Tore weit
geöffnet. Man denke nur an die ermäßigte Hotelsteuer. Die Partei ist
in einer Identitätskrise und müsste sich weitgehend neu erfinden.
Dabei geht es nicht nur um Korrekturen bei Themen wie Mindestlohn
oder Atomenergie, sondern um die Sichtbarmachung eines unverkennbaren
Markenkerns. Für Rösler wäre es von Vorteil, wenn in der FDP ein
Mindestmaß an Geschlossenheit und Solidarität herrschte. Doch trotz
der tiefen Existenzkrise ist davon wenig zu spüren. Wie soll ein
neuer Chef als Gesundheitsminister Meriten sammeln? Um stärker
durchzudringen, bräuchte Rösler dringend ein anderes Amt. Aber sowohl
Brüderle als auch Westerwelle kleben an ihren Ministerposten und
denken nicht daran, dem neuen Mann zu einer günstigeren Startposition
zu verhelfen. Rösler selbst darf aber auch nicht im Korsett des ewig
Milden und Sanftmütigen ersticken. Wenn er es allen recht machen
will, wird er untergehen. Er sollte schon deutlich zeigen, wohin er
die FDP führen will – und vor allem auch mit welcher Mannschaft. Dass
er für mehr Frauen an der Spitze plädiert, ist sympathisch.
Schließlich sind nur 20 Prozent der Freidemokraten weiblich. Noch
besser wäre es aber, wenn er eine Frauenquote vorschlagen würde. Das
ist nur ein kleines Beispiel für den Modernisierungsbedarf bei der
FDP. Noch weiß niemand so genau, was Rösler wirklich will. Er hat
aber nicht viel Zeit, um Profil zu gewinnen.

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