Neue Westfälische (Bielefeld): Kommentar: Freilassung von Suu Kyi Steiniger Weg in die Freiheit KARL-LUDWIG GÜNSCHE, BANGKOK

Die Szenen, die sich bei der Freilassung der
birmanischen Oppositionellen Suu Kyi abgespielt haben, wecken
Erinnerungen an die Haftentlassung Nelson Mandelas vor 20 Jahren in
Südafrika: beide Friedensnobelpreisträger, beide Hoffnungsträger für
eine geschundene Nation, beide von erbarmungslosen und
menschenverachtenden Regimen jahrelang eingesperrt. Doch da enden die
Parallelen. Mandelas Weg in die Freiheit – und dann an die Spitze des
Staates – war nach langen, zähen Verhandlungen mit dem
südafrikanischen Rassistenregime vorgezeichnet. Suu Kyi ist den
Generälen in Birma nach wie vor auf Gnade und Barmherzigkeit
ausgeliefert. Sie können sie jederzeit wieder wegsperren – oder sogar
töten. Aber  Birma steht  möglicherweise am Anfang einer ähnlichen
Entwicklung wie damals Südafrika. Auch  Suu Kyi hat Millionen ihrer
Landsleute die Hoffnung zurückgegeben, die Hoffnung auf ein neues
Birma – und darauf, dass es ihr in einigen Monaten gelingen wird, die
zersplitterte Opposition zu einen und damit einen Prozess in Gang zu
setzen, den die Militärs nicht mehr aufhalten können: den Weg in die
Freiheit. Es scheint schwer, wenn nicht unmöglich, ein in 50-
jähriger Herrschaft erstarrtes Unrechtsregime zu überwinden. Aber
wenn es jemand schaffen kann, dann diese zierliche Frau mit dem
starken Willen und der ungebrochenen Kraft. Noch gibt es viele
Fragezeichen. Wie werden sich die Generäle verhalten, wenn Suu Kyi –
wie vor acht Jahren – zu einem Siegeszug durch das Land aufbricht?
Werden die ethnischen Gruppen über alle Gräben hinweg ihre Kräfte
bündeln und einen Demokratisierungsprozess unterstützen? Vor allem
aber: Was wird der mächtige Nachbar China tun, der die Wahlfarce in
Birma gefeiert hat und die Freilassung Suu Kyis beargwöhnt?

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