Lassen wir uns nicht den Heiligen Krieg
aufschwatzen, keine Kreuzzugstheorien wälzen und auch nicht den
Zerfall der Welt beschwören. Ja, Menschen sind ums Leben gekommen,
Kinos brannten, Autos wurden umgeworfen. Schlimm, und alles nur wegen
ein paar Mohammed-Karikaturen und eines lausigen Filmchens, das unter
sonderbaren Umständen produziert worden ist und aus Sicht der Muslime
ihren Propheten verunglimpft. Die Reaktionen der Muslime sind dem
Westen unverständlich und fremd. Aber sie sind nicht in erster Linie
religiös motiviert. Es gibt viele Argumente dagegen, dass ein
Religionskrieg zwischen Muslimen und Christen heraufdämmert. Zumal –
auch das ist Wahnwitz des Szenarios – in erster Linie Muslime bei den
Protesten der Muslime ums Leben gekommen sind, nicht Christen.
Zunächst ist der Westen gar nicht mehr christlich genug, um für seine
Glaubensüberzeugungen in den Krieg zu ziehen. So zynisch es ist, aber
dem zivilisierten Westen geht es bei kriegerischen Einsätzen nicht um
Glauben oder Überzeugungen. Es geht um Macht, Einfluss,
wirtschaftliche Interessen und Ressourcen. Auch den Schöpfern der
aktuellen Karikaturen und des Films ist nicht an religiöser
Auseinandersetzung gelegen, sondern lediglich an Provokation und
Aufmerksamkeit. Dass jetzt viele Medien bis hin zum deutschen
Satiremagazin Titanic auf den Provokationszug aufspringen, lohnt der
Erwähnung kaum. Es weckt nur noch Mitleid. Das ist die eine Seite.
Die protestierenden Muslime andererseits nutzen die Religion als
Vorwand für ihr gewalttätiges Wüten. Was wäre das für ein Allah, was
für ein Gott, wenn er solche Mordbanden für die Verteidigung seines
Ansehens benötigte? Überzeugte Christen wissen, dass Spott ihren Gott
nicht klein machen kann. Wenn sich die Gewalt von Tunesien bis
Pakistan gegen den Westen nun Bahn bricht, hängt das mehr mit der
Geschichte, der inneren muslimischen Verfassung und der aktuellen
sozio-demographischen Situation in der islamischen Welt zusammen.
Durch rund vier Jahrhunderte sind muslimische Gesellschaften dem
Westen machtpolitisch unterlegen. Ihre einstige Blüte ist dahin. Seit
der zweiten Belagerung Wiens durch die Türken im 17. Jahrhundert hat
der Westen immer die Oberhand gehabt. Und er hat diese Macht durch
zahlreiche Unterdrückungen bis hin zu willkürlichen Staatsgründungen
im vergangenen Jahrhundert reichlich missbraucht. Die islamische Welt
– bis heute tief zerstritten, ja innerlich verfeindet – fand nie die
Kraft, wieder zu erstarken. Dieses Minderwertigkeitsgefühl empfindet
nun stark eine perspektivlose Generation von Halbstarken, die sich
gern von politisch-religiösen Scharfmachern instrumentalisieren
lässt. In vielen Gesellschaften sind diese jungen Männer besonders
gewaltbereit. Am arabischen Frühling beteiligten sich noch viele
Frauen. Die sind bei diesen Protesten gar nicht mehr zu sehen. Alles
Hinweise darauf, dass es nicht um einen Heiligen Krieg geht.
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