Die Frage, ob Joachim Gaucks Europarede eine
große war, ist müßig. Was heißt schon groß? Es war die richtige Rede
zum richtigen Zeitpunkt. Gauck zeigte mit Herzblut die Bedeutung des
europäischen Projekts auf – im Kleinen und im Großen, im Historischen
und im Aktuellen. Europa bedeutet, ohne Reisepass von der Memel bis
zum Atlantik zu reisen, aber auch der Verdruss über die Eurokrise und
über Brüsseler Bürokraten. Darüber wölbt sich die Frage nach der
europäischen Identität. Und die kann man nur so beantworten, wie es
der Bundespräsident tat: Europa löscht die nationale Zugehörigkeit
nicht aus, besitzt trotzdem einen eigenen Charakter. Dieser richtet
sich nicht gegen jemand, sondern tritt für etwas ein: Frieden
Freiheit, Menschenrechte. Richtig ist auch Gaucks Analyse, dass wir
uns auf einer „neuen Schwelle“ befinden: Soll es weitergehen mit
Europa oder nicht? Gauck setzt auf mehr Vereinheitlichung, aber immer
im Dialog mit den Bürgern. Die Klammer heißt für ihn Kommunikation.
Politik muss sich erklären und rückkoppeln. Das dialogische Prinzip
ist so etwas wie die Grundphilosophie dieses Bundespräsidenten.
Folgerichtig möchte er die griechische Agora wiederbeleben, den Ort
des öffentlichen Disputs. Eine schöne Idee. Die Rede im Schloss
Bellevue war dazu ein würdiger Auftakt.
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