Neue Westfälische (Bielefeld): Kommentar: Hartz-IV-Verhandlungen stocken Gesichtswahrung ALEXANDRA JACOBSON, BERLIN

Wer von Politikverdrossenheit redet, darf schon
jetzt auf die langwierigen Verhandlungen zur Hartz-IV-Reform
verweisen. In der Öffentlichkeit kommt vor allem an, dass sich die
Parteien erbittert um fünf Euro Regelsatzerhöhung streiten.
Schwarz-Gelb besteht auf dieser Summe, während SPD und Grüne ein paar
Euro mehr drauflegen wollen. Die jeweiligen Begründungen sind
mittlerweile so kompliziert, dass sie kaum noch jemand nachvollziehen
kann. Schwierig ist auch die Bildungsteilhabe für arme Kinder. Sie
wäre am besten zu verwirklichen durch den Ausbau der
Bildungs-Infrastruktur. Das Land braucht dringend mehr
Ganztagsschulen und Ganztagskitas. Doch hier fängt die heikle Frage
der föderalen Zuständigkeit an. Die Verhandlungen werden außerdem
kompliziert durch die politische Großwetterlage: Am 20. Februar
beginnt der Reigen der Landtagswahlen. Die Parteien suchen nach
Profilierung. Das erschwert die Kompromisssuche, Gesichtswahrung
heißt nun das vordringliche Thema. Die FDP etwa will ihre
wirtschaftsliberale Stammklientel nicht durch einen großzügigen
Mindestlohn für Zeitarbeiter erschrecken. Die SPD möchte gerne ihr
Idee der Schulsozialarbeiter verwirklicht sehen. Die CDU hat Angst,
dass die Kosten aus dem Ruder laufen. Und CSU und FDP demonstrieren
wieder einmal, dass sie nichts miteinander anfangen können – auch
wenn sie auf derselben Seite verhandeln. Unter diesen Umständen ist
ein großer Wurf nicht möglich. Es empfiehlt sich die Beschränkung auf
das Wesentliche. Die Politik soll für eine transparente Berechnung
des Regelsatzes und für die Bildungsteilhabe von armen Kindern
sorgen: So lautet im Kern der Auftrag des Bundesverfassungsgerichts.
Gefragt ist nun ein Ergebnis. Wenn es nicht bald eines gibt, steht
die Politik insgesamt als Verliererin da.

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