Neue Westfälische (Bielefeld): Kommentar: Kongresswahlen in den USA Bittere Lektion JOACHIM ROGGE, WASHINGTON

Amerikas Wähler haben Präsident Barack Obama
eine Lektion erteilt. Das Ergebnis kommt einer Demontage Obamas
gleich. Die Halbzeitwahlen für den Kongress waren ein Referendum über
den Kurs des Präsidenten, der bei der Präsidentschaftswahl noch so
überlegen und triumphal ins Amt gewählt worden war. Zwei Jahre liegt
das erst zurück, aus heutiger Sicht eine gefühlte Ewigkeit. Obama
muss nun die richtigen Antworten auf die bittere Lehrstunde finden,
die ihm die Wähler erteilten. Erst spät hat er mit einem Hauch von
Selbstkritik zu erkennen gegeben, dass seine Politik tatsächlich an
den Erwartungen der Bürger vorbeizielte. Nichts treibt Amerikas
Bürger mehr um, als die Sorge um ihre Jobs und die Zukunft des
turmhoch verschuldeten Landes. Amerika fasst nach der großen
Rezession nicht Tritt. Wie betoniert dümpelt die Arbeitslosenquote um
die Zehn-Prozentmarke herum. Der größte Mandatsverlust einer
Präsidentenpartei seit über einem halben Jahrhundert hat Obama nun
schwarz auf weiß vor Augen vorgeführt, wo Obamas Landsleute vor allem
anderen die Prioritäten ihres jungen Präsidenten sehen. Dass Obamas
Demokraten ihre Mehrheit im Senat trotz deutlicher Verluste noch
knapp ins Ziel retten konnten, ändert am desaströsen Gesamtbild
wenig. Dass ausgerechnet die Republikaner, auf deren Comeback in
naher Zukunft vor kurzem noch kaum jemand zu wetten gewagt hätte,
eine derart triumphale Auferstehung feiern können, mag Obama zwar wie
ein böser Treppenwitz der Geschichte vorkommen. An der Notwendigkeit,
nun auf die Konservativen zugehen zu müssen, ändert das nichts.
Obama, der Visionär und charismatische Rhethoriker, wird sich jetzt
ein Stück weit neu erfinden und in die Mitte rücken müssen, selbst
auf die Gefahr hin, die letzten verbliebenen linken Getreuen im Lager
zu verprellen.

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