Neue Westfälische (Bielefeld): Kommentar: Merkel trifft EU-Chef Juncker Jenseits der Romantik Knut Pries, Brüssel

Die Bundeskanzlerin und der Chef der
EU-Kommission haben in Brüssel pragmatische Gemeinsamkeit
demonstriert. Darf man daran glauben? Zum Teil – soweit man Romantik
und Ideologie beiseitelässt. Statt von Romantik spricht die
politische Zunft gemeinhin von „Chemie“, die zwei Regierungsmenschen
verbinde oder trenne. Zur Naturwissenschaftlerin Merkel passt der
Begriff besser als zum heimlichen Melancholiker Juncker. Doch beide
sind stillschweigend übereingekommen, ihre Beziehung nicht auf dieser
Ebene zu testen. Wie weit man ein Herz und eine Seele ist, darf
getrost unbestimmt bleiben. Es steht außer Frage, dass Merkel und
Juncker eine unterschiedliche politische Peilung haben. In grober
Draufsicht: Ihm ist der soziale Ausgleich und Zusammenhalt wichtiger,
ihr die Wettbewerbsfähigkeit. Entsprechend sitzen die Akzente anders,
was die wirtschaftliche Genesung der EU anbelangt. Im „Dreieck der
Tugenden“ geht es der Kanzlerin mehr um solide Haushalte und
Strukturreformen, ihm um Wachstumsförderung. Es spricht aber einiges
dafür, dass sich entgegen manchen Unkenrufen die unterschiedlichen
Prioritäten nicht zum offenen Streit auswachsen, sondern immer wieder
in Kompromisse münden werden. Merkel und Juncker sind nicht wie Romeo
und Julia. Das muss auch nicht sein.

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