Gut und böse
Was für Deutsche und Polen das ostpreußische Tannenberg war,
verbinden Serben und Albaner mit dem Amselfeld im heutigen Kosovo.
Beides sind Stätten nationaler Emotionen. Ressentiments und
Rachegelüste sind damit verbunden und ließen sich über die
Jahrhunderte an den dort geführten Schlachten, den Siegen und den
Niederlagen mobilisieren. Daran sollte sich die deutsche Politik
erinnern. Selbst nach der totalen Niederlage des Zweiten Weltkriegs
brauchten die Deutschen endlos Zeit, sich mit dem Verlust der
Ostgebiete abzufinden. Die gleiche Leistung aber sollen die Serben
möglichst umgehend vollbringen. Eine emotionale Überforderung, gilt
doch das Kosovo historisch und kulturell als die Wiege des
Serbentums. Mahnungen von Bundeskanzlerin Angela Merkel an die
serbische Regierung, die Unabhängigkeit des Kosovo zu akzeptieren und
die Unterstützung der Serben im Norden des Landes einzustellen, mögen
nach der deutschen Interpretation des Völkerrechts korrekt sein,
hilfreich sind sie dennoch nicht. Deutsche Belehrungen kommen in
Serbien nicht gut an. Ein weiteres Erbe aus der jüngeren Geschichte.
Merkel sollte sich hüten, europäische Politik ohne Sensibilität für
die Belastungen aus der Vergangenheit zu betreiben. Europa ist zu
einem Friedensraum geworden, weil kleine und große Staaten sich auf
Augenhöhe begegneten und als gleichwertig betrachteten. Daraus wuchs
Gemeinsamkeit, nicht aus deutschem Wesen. Doch auf dem Balkan hat
nicht nur die deutsche Diplomatie versagt. Fehler machte die
Europäische Union als ganzes. Statt die Staaten des früheren
Jugoslawien dabei zu unterstützen, einen Neubeginn in einer Union
nach EU-Vorbild zu starten, teilte man die Region in Gute und Böse
auf. Das rächt sich jetzt, weil Belgrad spürt, ihm sei die Rolle des
Bösen zugewiesen.
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