Deutschland ist ein Land der Mieter. Die
Eigenheimquote ist in kaum einem Industrieland niedriger, nirgendwo
sonst nimmt das Genossenschaftswesen einen derart breiten Raum ein.
Dabei haben sich die Mieten über Jahre äußerst moderat entwickelt.
Inzwischen sind die Kosten aber explodiert; vor allem in den Städten
spalten Wucherpreise soziale Milieus. Wer heute aus beruflichen oder
privaten Gründen umziehen muss, erlebt nicht selten den blanken
Horror. Dutzende Bewerber schieben sich durch Hausflure, um sich
völlig überteuert annoncierte Wohnungen anzusehen. In Metropolen wie
Hamburg oder Berlin ist das Preisniveau besonders hoch, doch auch in
wirtschaftlich aufblühenden Provinzstädten ziehen die Wohnraumkosten
an. Neue Mieter zahlen nicht selten bis zu 40 Prozent mehr als ihre
Vorgänger. Durchschnittsverdiener, ältere Menschen und
alleinerziehende Frauen reihen sich überhaupt nicht mehr in die
Karawane ein. Wer es in Deutschland eh schon schwer hat, muss nun
auch auf die Vorteile der Stadt verzichten. Jobs, Dienstleistungen
und medizinische Versorgung fehlen nicht nur in ländlichen Gebieten,
sondern auch in den Randbezirken. Pendeln kostet Zeit und Geld. Mit
der sogenannten Mietpreisbremse verkünden die möglichen
Großkoalitionäre in Berlin nun stolz das Ende des Wuchers. Bald
sollen die Länder entscheiden, ob sie die Kosten auf den überhitzten
Wohnungsmärkten deckeln wollen. Maximal zehn Prozent dürften die
Mieten dann in neu vereinbarten Verträgen über dem ortsüblichen
Niveau liegen. In laufenden Mietverhältnissen soll der Zuschlag eine
Grenze von 15 Prozent innerhalb von drei Jahren nicht überschreiten.
Unberührt bleiben Preisveränderungen nach Modernisierungen, die der
Vermieter weiterhin dauerhaft auf die Miete aufschlagen darf.
Neubauten dürfte die Mietpreisbremse indes – anders als befürchtet –
nicht hemmen, bleiben Einstiegstarife doch frei verhandelbar. So
bieten sich freilich Anreize, den Neubau mehr denn je an den Wünschen
der solventen Klientel auszurichten. Ganze Wohnblöcke landen in
Deutschland zudem unter dem Hammer und werden privatisiert. Mehr als
600.000 Wohnungen haben Bund, Länder und Gemeinden bisher verkauft –
auf Kosten der Mieter. Arbeitersiedlungen sind für Arbeiter dadurch
häufig nicht mehr bezahlbar. Wohnraumkosten entwickeln sich zum
Armutsrisiko. Sozialklauseln dienen den Verkäufern dabei allein als
sanftes Ruhekissen für ihr schlechtes Gewissen. Gewinner des freien
Markts ist der Investor – zumindest solange er vor einer Sanierung
nicht das Einverständnis des Mieters einholen muss. Insofern ist die
gefeierte Mietpreisbremse nur ein politisches Placebo, höchstens ein
kleines Pflaster auf einer klaffenden Wunde. Es passt nicht zusammen,
einerseits hunderttausende Wohnungen zu verkaufen und anderseits eine
Kostendeckelung zu etablieren. Um die Mieter in Zukunft zu schützen,
müssen sich Städte und Gemeinden vielmehr am urbanen Trend
orientieren und endlich neues Bauland erschließen.
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