Neue Westfälische (Bielefeld): KOMMENTAR Nachhaltigkeitsgipfel von Rio mit mageren Ergebnissen Die Zauderer vom Zuckerhut MATTHIAS BUNGEROTH

Es war der Premier des kleinen Königreichs
Bhutan, der der Staatengemeinschaft ins Stammbuch schrieb, an welcher
Herausforderung sie sich bei ihrer Zusammenkunft in Rio de Janeiro
messen lassen müssen. „Nachhaltige Entwicklung bedeutet Überleben“,
mahnte Jigmi Y. Thinley die Delegierten aus rund 190 Ländern. Doch
der Appell verpuffte weitgehend, ebenso wie die der
Umweltschutzorganisationen und Wissenschaftler. Sie hatten gemahnt,
endlich konkrete Nachhaltigkeitsziele festzuschreiben. Doch die
Zauderer vom Zuckerhut verabschiedeten ein Dokument, das vor der
Konferenz bereits fertig formuliert war und an Beliebigkeit nicht zu
überbieten ist. Ab 2015, heißt es, sollen Nachhaltigkeitsziele
messbar werden. Schlagworte sind hier die aus dem
Millenniumsentwicklungsplan entlehnten Ziele Bekämpfung von Armut,
Hunger, Krankheiten und Analphabetentum. Doch wie die
Staatengemeinschaft entsprechende Parameter festschreiben will, ist
völlig unklar. Angeblich hält die Konferenz „Rio plus 20“ die
Armutsbekämpfung für das wichtigs-te Thema der Vereinten Nationen.
Gleichzeitig aber bildet man keinen UN-Nachhaltigkeitsrat, so wie den
Rat für Menschenrechte. Vielmehr soll allmählich eine Kommission
diese so wichtige Arbeit schrittweise übernehmen. Mandat und
Zusammensetzung: völlig unklar. Entschlossenheit sieht anders aus.
Konkrete Umweltziele sucht man im Abschlusspapier ebenfalls
vergeblich. Stattdessen soll das UN-Umweltprogramm UNEP aufgewertet
werden. Die Mitgliedschaft hier ist allerdings freiwillig.
Überfischung, Übersäuerung und Verschmutzung der Weltmeere werden
zwar beklagt. Doch ein Abkommen zum Schutz der Artenvielfalt gibt es
weiterhin nicht. Gerade auch die Europäer hinterließen auf der
Plus-20- Konferenz von Rio keinen starken Eindruck. Dies nicht nur
deshalb, weil Kanzlerin Angela Merkel (CDU) dort durch Abwesenheit
glänzte. Schwellenländer wie Brasilien und China drückten dem
Abschlussdokument beim Themenkomplex „Green Economy“ ihren Stempel
auf. Hiermit ist ein Wirtschaftsmodell gemeint, das durch eine
nachhaltige Lebensweise Ziele wie mehr Wohlstand, soziale
Gerechtigkeit sowie den Schutz der Umwelt und seiner Ressourcen
voranbringen soll. Doch die Glaubwürdigkeit der europäischen Länder
ist stark angekratzt. Zu hoch ist hier nach wie vor der
Ressourcenverbrauch pro Kopf. Auch stören sich die Schwellenländer an
den milliardenschweren Subventionen der EU-Landwirtschaft. Ein
Widerspruch zur Forderung nach einem Auslaufen der Subventionen für
fossile Energien. Wir brauchen mehr als den Appell eines Staates mit
Exotenfaktor wie Bhutan, das den Begriff des Bruttosozialglücks
prägte, um die Nachhaltigkeit voranzubringen. Deutschland, das Land
der Energiewende, muss zeigen, dass die dort verankerten Ziele keine
leeren Worthülsen sind. Dieser Beweis würde in der Welt Eindruck
hinterlassen. So wie der Auftritt von Premier Thinley am Zuckerhut.

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