Sie konnten sich nie wirklich leiden. Und ab
heute wird sich auch das letzte Quäntchen professionelles Wohlwollen
zwischen Benjamin „Bibi“ Netanjahu und Barack Obama verflüchtigen.
Mit seiner unerwünschten Rede zur Verhandlungsstrategie des
amerikanischen Präsidenten im Atomkonflikt mit dem Iran vor dem
Kongress in Washington begeht Israels Premierminister einen
Tabubruch, der lange nachwirken wird. Israels Regierungschef verlangt
die komplette Unschädlichmachung der iranischen Atom-Infrastruktur
und damit ein Stoppschild für jede Urananreicherung. Die fünf
UN-Vetomächte und Deutschland sind trotz berechtigter Skepsis
willens, den Iran als zivile Atommacht zu dulden – wenn durch ein
striktes Überwachungsregime gewährleistet ist, dass Teheran nicht
doch binnen eines Jahres unerkannt eine Atomwaffe bauen kann. Kurzum:
Obama setzt auf Ausgleich mit Teheran. Netanjahu hält das, gegen den
Rat der eigenen Geheimdienste, für ein fahrlässiges Spiel mit der
Sicherheit Israels. Er will keinen „Deal“. Er will Teherans
Kapitulation. Seine Alles-oder-nichts-Strategie ist mit dem, was
Amerika und die anderen Verhandlungspartner anstreben, unvereinbar.
Man stelle sich nun einmal vor, was in Tel Aviv und Jerusalem los
wäre, wenn in der Knesset die missgünstige Opposition heimlich einen
auswärtigen Staatschef eingeladen hätte, um dem amtierenden
Regierungschef bei einem derart sensiblen Thema öffentlich in die
Parade zu fahren. Genau das hat John Boehner, der machttrunkene
Anführer der Republikaner im US-Repräsentantenhaus, gemacht, als er
Netanjahu nach Washington bat. Dass der Israeli die Offerte
unmittelbar vor den Wahlen im eigenen Land am 17. März annahm, um am
prestigeträchtigsten Rednerpult der westlichen Welt für die Menschen
daheim den Winston Churchill zu geben, legt seinen fragwürdigen
Charakter frei. Die größte Schutzmacht, die Israel je haben wird,
derart zu verprellen, ist staatsmännisches Versagen. Gewinnen wird
niemand. Nur die Mullahs in Teheran lachen sich ins Fäustchen über
den Keil, den Netanjahu in das israelisch-amerikanische Verhältnis
treibt.
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