Neue Westfälische (Bielefeld): Kommentar: Neue Euro-Krise Zu früh zum Aufatmen SABINE BRENDEL, BRÜSSEL

Ein kleines EU-Land hält nicht nur Deutschland
und Europa in Atem. Das schuldengeplagte Irland mit seiner
strauchelnden und teils aus der Not heraus verstaatlichten
Bankenbranche zeigt deutlich: Die Finanz- und Wirtschaftskrise ist
noch lange nicht vorbei – und ihre Folgen längst nicht ausgestanden.
In Deutschland kann man das allzu leicht vergessen. Deutsche
Unternehmen sind exportorientiert. Sie spüren an den besser gefüllten
Auftragsbüchern, dass der Tiefpunkt der Weltwirtschaftskrise
überschritten ist. Die Arbeitslosenzahl sinkt – im Oktober waren
erstmals seit 1992 weniger als drei Millionen Menschen ohne Job. Das
alles ist erfreulich. Doch die deutsche Wirtschaftsentwicklung hängt
stark davon ab, dass andere Länder viele Produkte von hier kaufen.
Der wichtige Handelspartner China, der Produkte „Made in Germany“
sehr schätzt, meldete auch in der weltweiten Krise ordentliche
Wachstumsraten. Ganz anders die USA. Das Riesenland, ebenfalls ein
wichtiger Handelspartner Deutschlands, verharrt in einer tiefen
Krise. Der US-Ökonom Paul Krugman warnte jüngst: „In ganz Amerika
gehen die Lichter aus.“ Als Beleg wertet er den Verfall von Straßen,
da Kommunen und US-Bundesstaaten kein Geld mehr für deren
Instandsetzung hätten, oder die gekürzten Bildungs-Ausgaben. Doch
auch Deutschland kämpft mit Problemen. Ein Blick auf die Schuldenuhr
des Bunds der Steuerzahler zeigt: Der Staat steht mit 1,7 Billionen
Euro in der Kreide. Das sind pro Bundesbürger fast 20.900 Euro
Schulden. Und dieser Schuldenberg lastet noch Jahre auf Deutschland –
und begrenzt den Handlungsspielraum der Politik. Zugleich hat
Deutschland – wie Irland und andere Länder auf der Welt auch – ein
Bankenproblem, auch wenn dies nicht so verheerend ist wie das
irische. Die traditionsreiche Commerzbank musste zwangsverstaatlicht
werden. Und der Staats- und Immobilienfinanzierer Hypo Real Estate
(HRE) überlebt nur, weil er am Staatstropf hängt – Deutschland steht
für die Bank mit mehr als 100 Milliarden Euro gerade. Die HRE hat
übrigens auch stark in Irland investiert – genau wie andere deutsche
Banken. Daran kann jeder sehen, dass die große Krise des kleinen
Irlands alle in Europa angeht. Irland ist ja auch nicht allein.
Griechenland bekam schon europäische Unterstützung. Und an den
Finanzmärkten wird spekuliert, dass auch Portugal und Spanien in
Schwierigkeiten geraten könnten. Kein Wunder, dass die Nervosität bei
Markt-Akteuren und Politikern groß ist. Doch die EU hat einen Rahmen
geschaffen, um taumelnden Ländern Hilfe zu bieten. Diese Solidarität
zieht aber drastische Sparschritte oder den Umbau einer Branche nach
sich. Das kann jedoch angebracht sein – nirgendwo kriselt es
grundlos. Irland kann seine Krise also überwinden. Verzagen müssen
weder die Iren noch andere Europäer. Sie sollten sich stattdessen
einen klaren Blick für die Probleme bewahren – und sich nicht von
einigen rosig scheinenden Wirtschaftsdaten einlullen lassen.

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