Neue Westfälische (Bielefeld): KOMMENTAR Offener Zwist beim Dreikönigstreffen Liberaler Scherbenhaufen ALEXANDRA JACOBSON, STUTTGART

Es war kein heimeliges Treffen der liberalen
Familie, sondern eher ein Stelldichein im Haifischbecken: Alle
Geschlossenheitsappelle zum Dreikönigstreffen der FDP haben nicht
gefruchtet. Auf offener Bühne wurde das Schicksal von Philipp Rösler
als Parteichef besiegelt. Das klingt brutal, aber Dirk Niebels
indirekter Aufruf zum Putsch gegen den Vorsitzenden spiegelt ein real
vorhandenes Unbehagen wider. Die Liberalen im Staatstheater haben
auch mit ihrem Applaus deutlich gemacht, wie sie das Spitzenpersonal
einschätzen: Den weitaus größten Beifall erntete FDP-Fraktionschef
Rainer Brüderle. Philipp Rösler löste mit seinen zurückhaltenden
Worten eindeutig zu wenig Begeisterung aus. Die FDP steht nun vor
einem Scherbenhaufen: Eigentlich gilt als ungeschriebenes Gesetz,
dass Parteien vor Landtagswahlen Einigkeit demonstrieren sollten.
Doch zu dieser Disziplin sind die Liberalen unter Rösler nicht mehr
bereit. Niebel hat nun seinen Unmut über das Führungsteam öffentlich
gemacht und seinen Ärger Rösler vor die Füße gekippt. Der ist jetzt
in der unangenehmen Lage, die Konsequenzen ziehen zu müssen – einfach
so weitermachen geht eigentlich nicht mehr. Auch weil klar geworden
ist, dass der heimliche Chef der Liberalen Rainer Brüderle heißt.
Röslers Fall hat tragische Züge. Er ist nicht einfach nur zu
unerfahren, sondern auch zu gut für diesen Job. Ihm fehlen die nötige
Härte und der klare Machtwillen. Und er hat zu wenig Unterstützung
erfahren. Dass etwa Christian Lindner so früh seinen
Generalsekretärsposten hinwarf, war genauso wenig hilfreich wie die
Sticheleien eines Wolfgang Kubicki. Brüderle ist kein Heilsbringer.
Im besten Fall kann er die FDP vorübergehend stabilisieren.
Vielleicht aber hat sie mit ihm die Chance, sich aus dem Teufelskreis
der zerstörerischen Selbstbeschäftigung zu befreien.

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