´Zwei Meldungen lösten in dieser Woche
öffentliches Echo aus. Die erste handelte von Sexualstraftätern,
denen das Karlsruher Landgericht hohe Entschädigungszahlungen
zugesprochen hatte, weil sie zu Unrecht und zu lange in
Sicherungsverwahrung gehalten worden waren. Die zweite Meldung war im
neuesten Pflege-Qualitätsbericht der Krankenkassen versteckt: 140.000
pflegebedürftige, meist alte Menschen wurden mit Gittern oder Gurten
im Bett oder Rollstuhl fixiert. Bei 14.000 von ihnen fehlte die
vorgeschriebene richterliche Genehmigung. Erstaunlich war die
öffentliche Reaktion. „Sind wir eigentlich bescheuert?“, titelte die
Zeitung mit den großen Buchstaben. Die Antwort der Stammtische ließ
nicht lange auf sich warten. Natürlich tönte es kehlig von dort. Die
Entrüsteten konnten sich zudem auf Altkanzler Gerhard Schröder
berufen. Schließlich hatte der studierte Jurist stets markig für
„lebenslang wegsperren“ von Sexualstraftätern plädiert. Dass das
nicht so einfach geht, hatte schon der Europäische
Menschenrechtsgerichtshof befunden. Gleiches Recht für alle und
unveräußerliche Grundrechte für jeden Menschen – das sind die
Grundpfosten, auf denen unser aller Freiheit gründet. Egal, wie viel
Unrecht ein Mensch begangen hat. Natürlich darf man nach dem
Karlsruher Urteil ein ungutes Gefühl haben. Es wäre allerdings
glaubwürdiger, wenn dieselben Empfindungen den stillen Opfern in
deutschen Pflegeeinrichtungen gälten. Am Umgang einer Gesellschaft
mit ihren schwächsten Gliedern, also Kindern und Alten, erkennt man
ihre soziale Grundhaltung. Es reicht eben nicht aus, dass in den
meisten Pflegebereichen ein positiver Trend erkennbar sei, wie die
Diakonie Rheinland-Westfalen-Lippe und der Verband katholischer
Altenhilfe erklärten. Jeder Mensch, dem Unrecht widerfährt, ist einer
zu viel. Über 14.000 widerrechtlich gefesselte, quasi
sicherungsverwahrte Männer und Frauen verdienen einen Aufschrei der
Empörung. Damit keine Missverständnisse aufkommen: Nicht die
aufopferungsvolle und wahrlich schwere Arbeit der Pflegerinnen und
Pfleger steht in der Kritik, sondern der gesellschaftlich tolerierte
Umgang mit Schutzbefohlenen. Alte und Gebrechliche, Demenzerkrankte
oder geistig verwirrte Alte sind im Besitz unveräußerlicher
Menschenrechte. Sie zu achten und zu schützen ist jedermanns Pflicht.
Offenbar kümmern sich zu viele Angehörige zu wenig um ihre Nächsten.
Und die Heimaufsicht scheint zu häufig wegzusehen. Wo nicht
ausreichend kontrolliert wird, entstehen schnell rechtsfreie Räume.
Hier gilt es anzusetzen, denn die Probleme können wachsen, da eine
Generation altert, in der viele freiwillig kinderlos geblieben sind.
Sie sind auf die Wächterfunktion des Staates angewiesen. Aspekte, die
bei der anstehenden Pflegereform bislang kaum bedacht sind. Sie
befasst sich mehr mit den finanziellen Aspekten der Pflege.
Mindestens ebenso notwendig aber ist ein enges Monitoring durch
Gewerbeaufsicht, Sozialämter und Richter.
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