Neue Westfälische (Bielefeld): KOMMENTAR Pflege-Wohngemeinschaften Getretener Quark PETER STUCKHARD

Man kann es dem jungen Daniel Bahr nicht
verdenken: Gut 20 Jahre Diskussion und Erprobung neuer Formen des
Zusammenlebens älterer und pflegebedürftiger Menschen sind offenbar
an ihm vorbeigerauscht wie die Orgel an der Gemeinde. Anders ist es
nicht zu erklären, wie der Minister jetzt der Öffentlichkeit
Pflege-Wohngemeinschaften als den neuesten Schrei liberaler
Pflegepolitik verkauft. Längst etabliert sind das Bielefelder, das
Braunschweiger oder das Berliner Modell, die sich zwar voneinander
unterscheiden, die aber eine Erkenntnis teilen: Die Kosten des Lebens
in einer ambulant betreuten Wohngruppe liegen erheblich unter den
Kosten einer Unterbringung im Heim. Jedenfalls dann, wenn es sich um
alte Menschen handelt, die zwar nicht mehr ganz alleine leben können,
aber noch keinen umfassenden Pflegebedarf haben. Finanziert wird die
Betreuung aus der Summe der individuellen Ansprüche an Leistungen aus
der Pflegeversicherung. Zusammengefasst: Gute Idee, aber eine alte
Kamelle. Denn schon heute bekommen Menschen 235 Euro Pflegegeld pro
Monat in der Pflegestufe 1. Bekommen sie die Pflege als Sachleistung,
sind es sogar 450 Euro. Um diese Pflegebedürftigen kann es dem
Bundesgesundheitsminister also nicht gehen. Er hat, aber auch das
kann man nur vermuten, womöglich die sogenannten Nuller im Auge:
Menschen, die zwar in keiner Pflegestufe eingeordnet sind, weil sie
körperlich noch fit sind, deren eingeschränkte Alltagskompetenz sie
aber pflegebedürftig macht. Auch diesen Menschen stehen heute schon
bis zu 200 Euro im Monat zu. Was also will der Minister? Er will
davon ablenken, dass auf Bundesebene getretener pflegepolitischer
Quark immer breiter, aber nicht stärker wird. Dass die NRW-Regierung
landesrechtlich viel zu langsam aus demselben herauskommt, macht die
Sache nicht besser.

Pressekontakt:
Neue Westfälische
News Desk
Telefon: 0521 555 271
nachrichten@neue-westfaelische.de

Weitere Informationen unter:
http://