Neue Westfälische (Bielefeld): Kommentar: Pressefreiheit auf dem Balkan Fundamentale Schwäche KNUT PRIES

Packende Schmöker sind die Fortschrittsberichte
der EU-Kommission nicht. In ermüdenden Litaneien wird da vom
Beschaffungswesen bis zur Veterinärpolitik alles durchgenommen, was
für die Qualifikation eines EU-Bewerbers von Belang scheint. Mal gibt
es „gute Fortschritte“ zu verzeichnen, mal „wenig Fortschritt“.
Klartext ist die Ausnahme. Daran gemessen haben die Brüsseler dem
Medienwesen auf dem Balkan jetzt ein unverblümtes Zeugnis
ausgestellt. Das Fazit lautet: Was sich da tut – Überfälle auf
unbotmäßige Schreiber, Potentaten, die sich Medien als
Machtinstrument halten, Justizapparate, die mit einschüchternden
Urteilen gefällig sind – reicht nicht. Zahlreiche Länder, die in die
EU wollen, ersparen sich die Kontrollinstanz einer unabhängigen
Presse. Es ist überfällig, dass dies nicht als bedauerliches kleines
Manko abgetan, sondern als fundamentale Demokratie-Schwäche erkannt
wird. Die Kandidaten relativieren die Kritik gern mit dem Hinweis auf
Berlusconi und andere Medien-Hallodris in der EU. Die richtige
Antwort lautet: Die EU muss nicht nur vor der Türe kehren, sondern
auch drinnen sauber machen.

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