Neue Westfälische (Bielefeld): KOMMENTAR Seehofer droht mit Koalitionsbruch Das Notwendige tun ALEXANDRA JACOBSON, BERLIN

CSU-Chef Horst Seehofer ist ein Weltmeister der
leeren Drohungen. Deshalb wird er die schwarz-gelbe Koalition auch
jetzt nicht einfach an die Wand fahren. Was Merkel an Seehofer
beunruhigen muss, ist vielmehr die Tatsache, dass in der Union immer
mehr so denken wie der Bayer. Danach soll Merkel in der Eurokrise
möglichst stur an roten Linien festhalten und sich keinen Millimeter
bewegen. Aber damit wird die Bundeskanzlerin in Europa nicht mehr
durchkommen. Angela Merkel kann aus zwei Gründen nicht mehr so
einfach die Zuchtmeisterin geben. François Hollande hat die Achsen
verschoben. Der französische Staatspräsident besteht auf einem
stärkeren Entgegenkommen gegenüber den Südländern. Merkel wird nicht
immer nur Nein sagen können. Denn ohne das funktionierende
französisch-deutsche Tandem darf man die Eurorettung gleich
vergessen. Vor allem aber hat Angela Merkel mit ihrer bisherigen
Linie objektiv keine überzeugenden Erfolge erzielt. Politik misst
sich an der Wirklichkeit, und die Realität in Europa sieht so aus,
dass immer mehr Länder in eine Rezession rutschen und der
Schuldenberg immer größer wird. Merkels Sparpolitik hat die Krise
verschärft: Das ist keine Propaganda, sondern eine
Tatsachenfeststellung. Das heißt im Gegenzug nun keineswegs, dass
Deutschland alle Schleusen öffnen und mit Steuergeldern um sich
werfen sollte. Aber Merkel dürfte schon ein wenig flexibler und
pragmatischer auftreten. In diesem Lichte sind die jüngsten Brüsseler
Gipfel-Beschlüsse vollständig in Ordnung. Wenn Seehofer und andere in
Union und FDP damit schon riesige Probleme haben, verheißt das für
die Eurorettung nichts Gutes. Zu viele rote Linien schwächen die
Kanzlerin und schwächen Deutschland. Denn getan werden muss das
Notwendige. Und nicht das, was etwa ein Seehofer glaubt, seinen
Wählern noch zumuten zu dürfen.

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