Neue Westfälische (Bielefeld): KOMMENTAR Tag der Deutschen Einheit Risse im Fundament MATTHIAS BUNGEROTH

Horst Seehofer hat recht: Wir Deutschen haben an
diesem 3. Oktober zum 22. Mal allen Grund zum Feiern. Dass es
gelungen war, die deutsche Einheit im Jahr 1990 friedlich zu
vollenden, grenzt noch heute an ein kleines Wunder, an das viele
führende Politiker bis dahin nicht ernsthaft zu glauben wagten. Doch
nach den offiziellen Feierlichkeiten in München, deren Gastgeber
Seehofer als Präsident des Bundesrates ist, müssen Politik und
Gesellschaft weiter hart am Prozess der Annäherung zwischen den alten
und den neuen Bundesländern arbeiten. Denn dass in diesem Bereich
noch viel zu tun ist, ist offensichtlich. So nannte es die
thüringische Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht eine
„Schande“, dass der aktuelle Rentenwert der Menschen im Osten laut
Bericht der Berliner Koalition nach wie vor nur 89 Prozent des
Westniveaus entspricht. Dabei hatte Schwarz-Gelb die
Rentenangleichung im Koalitionsvertrag festgeschrieben. Die immer
noch festzustellende Uneinheitlichkeit der Lebensverhältnisse in den
alten und neuen Bundesländern bleibt die größte Herausforderung für
die Politik, damit aus diesen Unterschieden nicht noch mehr sozialer
Sprengstoff und eine zunehmende Gefahr des politischen Radikalismus
entsteht. Immerhin sagen 14 Prozent der vom Leipziger Institut für
Marktforschung repräsentativ befragten Deutschen (im Osten sind es 19
Prozent, also fast jeder Fünfte!), dass sich der Graben zwischen den
alten und den neuen Bundesländern eher noch vertieft hat. Insofern
hat Horst Seehofer unrecht, wenn er sagt, er sehe eine Mauer in den
Köpfen der Menschen „überhaupt nicht mehr“. Es wäre töricht, die
Risse im Fundament der deutschen Einheit nicht zur Kenntnis zu nehmen
und daraus entsprechendes Handeln abzuleiten. Denn der Satz „Wir sind
das Volk“ behält seine Gültigkeit.

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