Neue Westfälische (Bielefeld): Kommentar Telefonüberwachung Sensibel BERNHARD HÄNEL

Urteilsschelte ist verpönt in deutschen Landen.
Sie sei dennoch gewagt, zumal das Bundesverfassungsgericht sie in
seiner einschlägigen Rechtsprechung immer geschützt hat. Zur Kritik
Anlass gibt diesmal das Bundesverfassungsgericht selbst mit seiner
Entscheidung, den Schutz vor staatlicher Überwachung für Ärzte und
Journalisten geringer zu bewerten als für Abgeordnete und Seelsorger.
Gespräche mit Seelsorgern oder Verteidigern fielen unter das absolute
Beweiserhebungsgebot, weil sie sich auf ein Zeugnisverweigerungsrecht
berufen könnten. Abgeordneten werde der Schutz vor dem Abhören wegen
der Institution des Parlaments gewährt. Bei Journalisten dürfe der
Gesetzgeber das Zeugnisverweigerungsrecht dagegen vom Einzelfall
abhängig machen. Ein Freibrief für die Behörden, denen Journalisten
auf die Finger schauen. Nicht aus purer Lust und Laune, sondern weil
die sogenannte vierte Gewalt im Staate unerfreulich häufig zur
letzten Instanz der Aufklärung geworden ist. Zumal die Liste der
Schwerverbrecher, von Mördern, Kriegsverbrechern oder
Kinderschändern, die telefonischen Kontakt zu Journalisten haben,
ebenso kurz sein dürfte wie die von Beichtvätern. Größer jedenfalls
ist die Befürchtung, dass die Überwachung von Redaktionstelefonen
genutzt werden könnte zur Gewinnung anderer Erkenntnisse, an die
Ermittlungsbehörden nur auf diesem Wege gelangen können. Diese
müssten sie zwar von ihren Datenträgern löschen. In den Köpfen
bleiben sie aber dennoch. Allein deshalb reagieren Journalisten
besonders sensibel auf Freibriefe für ihre Überwachung.

Pressekontakt:
Neue Westfälische
News Desk
Telefon: 0521 555 271
nachrichten@neue-westfaelische.de

Weitere Informationen unter:
http://