Neue Westfälische (Bielefeld): Kommentar: Todestag von Robert Enke Einer von eintausend NICOLE HILLE-PRIEBE

Ein Dilemma lässt sich nicht lösen, indem man es
verschweigt. Berichte über den Selbstmord eines Prominenten sind ein
klassisches Beispiel, weil es immer Nachahmungstäter gab und geben
wird. Andererseits ist der Freitod eines Menschen wie Robert Enke ein
Ereignis von solch tragischem Ausmaß, dass die Umstände und
Hintergründe seines Leidens in die Öffentlichkeit gehören – weil er
eben „nur“ einer von eintausend Menschen ist, die sich jedes Jahr das
Leben nehmen, indem sie sich vor einen Zug werfen. Während das Thema
Suizid für die deutsche Bahn noch immer ein ganz großes Tabu ist,
fordert der Fahrgastverband Pro Bahn einen offeneren Umgang damit.
Zum einen wegen der traumatisierten Lokführer, von denen viele nach
einer Suizidfahrt nie wieder in ihren Beruf zurückkehren können. Zum
anderen, weil ein Tabu immer auch ein mangelndes Problembewusstsein
in der Gesellschaft nach sich zieht. Der Freitod ist nicht nur die
letzte Entscheidung, die ein Mensch über sein eigenes Leben fällt,
sondern auch über das anderer. Immerhin geht es um das Schicksal von
1.000 Lokführern im Jahr, die weiterleben wollen und Hilfe brauchen.
Im Dunkeln kann sich die gern zitierte „Kultur des Hinsehens“ jedoch
nicht entwickeln – sie braucht Licht und Aufklärung.

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