Neue Westfälische (Bielefeld): Kommentar Ukraine-Krise Augenhöhe Dirk Müller

Der Gesprächsfaden darf nicht abreißen. Heute
macht sich der deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier auf
nach Kiew und Moskau, um dort wieder nach einer Lösung im Konflikt
mit Russland um die Ukraine zu suchen. Als Diplomat, der er ist,
sagte Steinmeier, er sei wirklich in Sorge, und es gehe darum, eine
neue Spirale der Gewalt zu verhindern. Dafür ist es wohl zu spät: Bei
neuen Kämpfen in der Ostukraine kamen gestern nach
Augenzeugenberichten erneut Dutzende Menschen ums Leben. Dem Westen
fällt im Umgang mit der offensichtlich anhaltenden Unterstützung
Russlands für die Abspaltungsgelüste der ukrainischen Separatisten
nicht mehr viel Neues ein. Richtig: Kanzlerin Merkel verschärfte in
ihrer jüngsten Rede den Ton, entwarf neue Krisenszenarien für
Georgien, Moldawien, Serbien und forderte entschlossene Einigkeit des
Westens. Aus Brüssel kamen neue Sanktionsdrohungen. Aber in Wahrheit
scheint es nicht so, als ahnte man auch nur, wie weit Russlands
Präsident Wladimir Putin gehen könnte. Jedenfalls scheint er vor
weiteren militärischen Nadelstichen nicht zurückzuschrecken. Auf
westlicher Seite schließt man militärische Antworten auf das
russische Vorgehen derzeit aus. Dennoch geht die Kriegsangst um in
Deutschland und Europa, denn auch die NATO zündelt: Stationierung von
Raketensystemen in Osteuropa, die Aufstellung schneller
Eingreiftruppen, gemeinsame Manöver mit osteuropäischen Partnern – es
sind auch diese provokanten Sandkastenspiele in Russlands Vorgarten,
die die einstige Weltmacht auf den Baum bringen. Der frühere SPD-Chef
Matthias Platzeck, der ein deutsch-russisches Forum leitet, erinnerte
gestern daran, der Westen habe Russland nicht ernst genommen in
seiner Einkreisungsangst, und er mahnte eine Sicherheitspartnerschaft
„auf Augenhöhe“ an. Richtig: Vertrauen braucht gleiche Augenhöhe,
darüber muss geredet werden. Wenn es nicht schon zu spät ist. Der
Gesprächsfaden darf nicht abreißen.

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