Neue Westfälische (Bielefeld): Kommentar: Verfassungsschutzbericht 2011 Dokument mit Lücken ALEXANDRA JACOBSON, BERLIN

Heinz Fromm hat natürlich recht: Das Bundesamt
für Verfassungsschutz hat nicht alles falsch gemacht. Insbesondere in
der Abwehr des islamistischen Terrorismus haben die deutschen
Geheimdienste ihre Frühwarner-Funktion erfüllt: Sieben mal wurden
seit 2001 Anschlagsversuche vereitelt. Es war also keineswegs alles
Murks, aber trotzdem wird es lange dauern, bis der Verfassungsschutz
aus seiner tiefsten Vertrauenskrise herauskommt. Denn jahrelang
existierte etwas, was nach den Aussagen der Sicherheitsexperten ein
Ding der Unmöglichkeit gewesen sein soll: ein organisierter, in den
Untergrund abgetauchter Rechtsterrorismus. Und immer noch ist es
nicht klar, wie stark das Interesse an einer lückenlosen Aufdeckung
vergangener Versäumnisse im Verfassungsschutz ausgeprägt ist. Dass
sieben wichtige Akten im Schredder gelandet sind und diese Aktion
zunächst vertuscht wurde, lässt eher darauf schließen, dass beim
Rechtsextremismus weiter gezielte Vernebelung und Verharmlosung
betrieben wird. Die innere Aufarbeitung der Fehleinschätzungen in
Sachen Nazi-Terror steht noch ganz am Anfang. Da kommt auf den
Nachfolger von Heinz Fromm eine schwierige Aufgabe zu. Der
Verfassungsschutzbericht 2011 ist trotz aller Lücken ein politisch
aufschlussreiches Dokument. Betrachtet man zum Beispiel die regionale
Verteilung von rechtsextremistischen Gewalttaten, zeigt sich, dass
die meisten dieser Vorkommnisse in den sechs neuen Bundesländern
geschehen. Allen Aktionsprogrammen und Aufklärungsversuchen zum Trotz
scheinen die Rechtsextremisten weiterhin Ostdeutschland als
bevorzugtes Agitationsfeld zu missbrauchen. Das ist vermutlich nur
deshalb möglich, weil Gesellschaft und Politik dort immer noch zu
wenig Gegenwehr leisten. Und weil alle gemeinsam einfach zu häufig
wegsehen.

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