Neue Westfälische (Bielefeld): Kommentar: Wahlkampf in Russland Kriegerische Töne GEORG LÖWEN

Russland erlebt zur Zeit einen Wahlkampf, der
diesen Namen halbwegs verdient. Seit Dezember gehen Hunderttausende
auf die Straße und protestieren gegen Wladimir Putin. Er und seine
Partei „Einiges Russland“ sehen sich gezwungen, darauf zu reagieren.
Sie mobilisieren die Massen. Werksarbeiter werden aus den Betrieben
geholt, Studenten bietet man Bezahlung für die Teilnahme an, aus dem
Ural werden Teilnehmer für eine überdimensionale Pro-Putin-Kundgebung
per Sonderzug nach Moskau gebracht. Früher hatte Putin so was nicht
nötig. Der Wahlsieg war ihm 2000 und 2004 sicher. Widerstand gab es
nicht. Das hat sich geändert. Bei der Präsidentschaftswahl am 4. März
kann es böse Überraschungen geben. Und Putin spricht vor seinen
Anhängern in kriegerischen Tönen, erinnert sie an gewonnene Kriege.
Die Russen seien genetisch veranlagte Sieger und ließen sich keinen
fremden Willen aufzwingen. So diffamiert man politische Gegner in
Russland vorzugsweise – als Hochverräter. Umso bewundernswerter ist,
wie friedlich und intelligent die protestierenden Russen ihre
bürgerliche Würde gegen die Arroganz der Macht verteidigen. Ihre
politische Kultur zeigt eine erstaunliche Reife. Überraschend ist die
Dimension der oppositionellen Bewegung. Umso mehr fürchtet Putin die
ansteckend wirkende Idee, dass auch in Russland faire Wahlen mit
echten Alternativen möglich sein können. Eine Idee, die die
Gesellschaft aus dem politischen Schlaf holen könnte.

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