Neue Westfälische (Bielefeld): Kommentar zu Schieder-Urteile Schadensbegrenzung ANDREA FRÜHAUF

Mancher hätte dem einstigen Möbelkönig Rolf
Demuth vermutlich die Höchststrafe gewünscht. Die jahrelangen
Bilanzmanipulationen und die damit erschlichenen Kredite in
Millionenhöhe haben den Möbelkonzern Schieder am Ende nicht mal
gerettet. Während viele Beschäftigte in Lippe ihren Arbeitsplatz
verloren haben, obwohl sie zur Standortsicherung über Jahre verteilt
auf zusammengerechnet mindestens drei Jahresgehälter verzichteten,
und viele kleine Zulieferer und Handwerker auf ihren Forderungen
sitzenbleiben werden, muss Demuth um seine Existenz nicht fürchten.
Sein Privatvermögen hat er bereits Mitte der 90er Jahre an seine Frau
übertragen. Wie viele Mittelständler, die mit ihrem Vermögen haften,
traf der Herforder Unternehmer Vorsorge. Seine Familie konnte die
hohen Prozesskosten für drei Anwälte bezahlen. Warum fällte das
Landgericht Detmold also ein Urteil, das nicht dem Antrag der Anklage
folgte und weit milder ausfiel? Weil dem Gericht für den Tatbestand
des schweren Betrugs die nötigen Beweise fehlten. Demuth ließ zwar
ein jahrelang gewachsenes Manipulationssystem zu und verstrickte
darin treue Mitarbeiter wie den Ex-Geschäftsführer Samir Jajjawi oder
den mächtigen und cleveren Ex-Chefcontroller Andreas Hillbrink. Aber
er wollte die kreditgebenden Banken nicht schädigen und sich
persönlich nicht bereichern. Demuth war ein klassischer
ostwestfälischer Mittelständler, der mit seinen Billigmöbeln neue
Märkte erobern und investieren wollte – und dabei Konkurrenten brutal
an die Seite drängte. Er galt in Lippe als bunter Vogel, der das
Siegen gewohnt war. Der Herforder träumte von einer gläsernen
Manufaktur wie bei VW in Dresden. Doch er verlor mit seinem
Optimismus den Blick für Realitäten und damit den Boden unter den
Füßen. Der Schieder-Konzern geriet immer tiefer in den Schuldensumpf,
nachdem angelsächsische Banken sich bei dem lukrativen Konzern die
Klinke gereicht und ihm teure, vertrackte Kredite verkauft hatten.
Der bodenständige Mittelständler hatte zwar von der brutalen Welt der
Heuschrecken und der profitsüchtigen angelsächsischen Banken gehört,
aber den Umgang mit solchen Mentalitäten war er nicht gewohnt.
Schieder wurde abhängig von jungen gierigen Bankern. Am Ende
verschlangen die von Kreditgebern beauftragten gut 40 Berater einen
operativen Jahresgewinn des wankenden Möbelriesen. Aus diesem
Dickicht gab es kein Entkommen mehr. Die Pleite wäre nach Ansicht des
Detmolder Landgerichts vermeidbar gewesen, wenn die alte
Führungsspitze nach den Betrugsvorwürfen länger im Amt geblieben
wäre. Am Ende hat Demuth seine Unternehmensanteile verpfändet – und
verloren. Er hat weitere Millionen aufs Spiel gesetzt, weil er den
Konzern samt den 11.000 Arbeitsplätzen retten wollte. Nun wird der
72-Jährige „nur“ maximal zwei Jahre sitzen. Und er hat sein gutes
Image eingebüßt. Das sollte als Strafe genügen. Ein jahrelanger
Prozess hätte den Steuerzahler nur noch unnötig belastet.

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