Neue Westfälische (Bielefeld): Macht- und Postengeschacher gefährdet die Demokratie Erst das Land! Thomas Seim

Kasperle-Theater, Karnevalsstimmung, Witzfiguren
– das sind die harmlosen Reaktionen auf die Nachrichten zur
tatsächlichen oder angeblichen Regierungsbildung. Man mag
kopfschüttelnd Sympathie für diese Einordnung finden. Treffend ist
sie nicht. Denn die politische Klasse präsentiert sich derzeit in
einem desaströsen Zustand. Und das ist nicht witzig. Der
SPD-Parteichef will sein Amt lieber gegen das Außenministerium
eintauschen. Der noch amtierende, geschäftsführende Außenminister
demontiert ihn als angeblichen Wortbrecher. Zuhause an der Basis der
Partei schäumt die Wut über die verheerenden Aktionen der eigenen
Parteifreunde in der Bundeshauptstadt und im Land NRW. Der andere
Koalitionspartner hadert mit der eigenen Kanzlerin. Die zentralen
Botschaften dort beziehen sich nicht etwa auf die politischen Inhalte
eines Koalitionsvertrages, sondern auf die Vergabe der Ministerien
samt diverser anderer Posten. Die Regierungschefin kann das weder
beruhigen, noch übt sie ihre Richtlinienkompetenz aus. Es geht wieder
Angst um in Deutschland. Angst davor, dass diese politische Klasse
ihrer Verantwortung und Führungsaufgabe nicht mehr gewachsen ist. Die
Kritiker – auch die, die wenig bis keinen Respekt vor dieser bislang
sehr gut funktionierenden Demokratie haben – sehen alle Vorwürfe
gegen die derzeit Handelnden bestätigt. Die beiden einst großen und
souveränen Volksparteien verspielen zur Zeit nahezu all ihren Kredit.
So geht es nicht weiter! So kann und darf es nicht weitergehen. SPD
und Union und die sie verantwortlich führenden Politiker müssen
wieder zur Vernunft kommen, und zwar schnell. Sie sind gewählt dafür,
dass sie den Menschen in dieser Republik Sicherheit und Stabilität
garantieren, nicht Postengeschacher und Karrieregeilheit. Sie sind
verantwortlich für die Kalkulierbarkeit von Politik – Tagespolitik
und Zukunftspolitik. Von ihnen wird verlangt, dass sie dem Land und
seinen Bürgern Aufbruch und Zukunftsfähigkeit organisieren. Nicht
Stillstand und Machtkampf. Es wird höchste Zeit, dass sich die beiden
Volksparteien wieder an diese Pflicht erinnern, wenn sie
Volksparteien bleiben wollen. Es wird Zeit, dass die Amts- und
Mandatsträger dieser beiden großen Volksparteien diese Pflicht wieder
erfüllen. Wenn sie sich nicht schnell darauf konzentrieren, sinken
ihre Chancen drastisch, Volksparteien zu bleiben. Die Feinde der
Demokratie lauern schon auf dieses Versagen – auch im Parlament.
Ihnen darf nicht noch einmal das Feld überlassen werden. Das wäre
verheerend. Vielleicht hilft die Erinnerung an eine Ermahnung des
Alt-Kanzlers Willy Brandt: „Es ist hoch an der Zeit, dass wir zu
einer fortlaufenden besseren Abstimmung der entscheidenden Kräfte
kommen.(…) Erst kommt das Land, dann kommt die Partei.“ So sollte
es sein!

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