Neue Westfälische (Bielefeld): Neue Westfälische, Bielefeld: KOMMENTAR Energiekonzept Verdächtiger Ehrgeiz ALEXANDRA JACOBSON, BERLIN

Bei ihrem Energiekonzept verfällt die
Bundesregierung gerne in Eigenlob. Gleich fünf Minister auf einmal
füllen die Bundespressekonferenz, um die Segnungen der neuen
Energiezukunft zu verkünden. Umweltminister Norbert Röttgen nennt das
Konzept einen „Meilenstein“. Doch selbst dieser geballte
Marketingeinsatz macht daraus für die schwarz-gelbe Bundesregierung
kein Gewinnerthema mehr. Das liegt vor allem an dem Laufzeitplus von
zwölf Jahren für die Atomkraftwerke. Röttgen sagt, dass die
Atomenergie als Brückentechnologie nötig sei, weil die erneuerbaren
Energien noch nicht so weit seien. Das mag ja richtig sein. Aber der
von Rot-Grün eingestielte Atomausstieg geht auch nicht von einer
sofortigen Abschaltung aller Atommeiler aus. Auch hier existiert eine
Brücke, die immerhin bis ins Jahr 2022 reicht. Und beim Bahnprojekt
„Stuttgart 21“ argumentiert Schwarz-Gelb, dass es zu einer seriösen
Politik gehöre, sich an einmal beschlossene, demokratisch
legitimierte Vereinbarungen zu halten. So ganz falsch ist das nicht.
Aber was für „Stuttgart 21“ richtig ist, kann für den Atomausstieg
nicht falsch sein. Das Energiekonzept leidet auch an Widersprüchen.
Die Gebäudesanierung soll der wichtigste Pfeiler beim
Energieeinsparen sein. Das ist einsichtig, denn nirgendwo sonst ist
die Energieverschwendung so groß. Doch die Mittel für die
energetische Gebäudesanierung werden 2011 gegenüber diesem und dem
vergangenen Jahr gekürzt. Auch soll es keinen Zwang geben, den
Altbestand zu modernisieren. Hier hat sich Röttgen nicht durchsetzen
können. Wer als Hauseigentümer gar nichts tut, hat also nichts zu
befürchten. Aber nur auf Anreize zu bauen und die Mittel dafür auch
noch zurückzufahren, nährt doch den Verdacht, dass man die eigenen
ehrgeizigen Ziele gar nicht so ernst nimmt, wie dauernd behauptet
wird.

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