Neue Westfälische (Bielefeld): Obamas Türkei-Strategie Steigbügelhalter dirk hautkapp, washington

So viel „Kurdistan“ war selten in Washington. In
Kongress-Ausschüssen, Pressekonferenzen und Hintergrundrunden mit
Journalisten konnten sich US-Regierungsvertreter gar nicht mehr
einkriegen vor Lob für das, was kurdische Milizen im Grenzgebiet des
Iraks und Syriens gegen die Terrororganisation „Islamischer Staat“
geleistet haben. Anders als das kampfunwillige irakische Militär,
anders als die verschiedenen Rebellengruppen und reguläre syrische
Truppen, so betonten Vertreter der Obama-Regierung, haben die
kurdischen Milizen bewiesen, dass dem IS am Boden sehr wohl
beizukommen ist. Vor dem Hintergrund dieser inflationär verteilten
Fleißkärtchen wirkt Präsident Obamas radikaler Schwenk der
Anbiederung an Ankara mindestens verlogen. Dass die USA (und damit
die NATO) dem absolutistischen Regionalfürsten Erdogan de facto freie
Hand geben, unter dem Deckmantel des Kampfes gegen den Islamischen
Staat zum Zwecke des innenpolitischen Machtausbaus die kurdische
Arbeiterpartei PKK wieder zum Staatsfeind Nr. 1 zu deklarieren und zu
bombardieren, ist schäbig. Es wird auf die Befindlichkeit der Kurden
in Syrien und im Nordirak ausstrahlen und die regionalen Konflikte
zusätzlich verschärfen. Türkische Angriffe auf den Nordirak werden
außerdem in Bagdad als Eingriff in die nationale Souveränität
gesehen. Die Konsequenz kann sein, dass weder der IS noch das
Assad-Regime substanziell geschwächt werden und nur Erdogan als
Sieger in der Manege steht. Obama wäre dann der Steigbügelhalter
eines Despoten im Tarnanzug der Demokratie. Wirklich, Mr. President?

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