Neue Westfälische (Bielefeld): Parteien rangeln um eine neue Regierung Merkel Unwürdiges Schwarzer-Peter-Spiel Thomas Seim

Die Ära der ersten Bundeskanzlerin – wenn man
die zwölf Jahre Regierungszeit eine Ära nennen will – geht zu Ende.
Vielleicht waren schon Merkels Zögern bei einer vierten Kandidatur
und auch ihre Schwierigkeit, neue Ziele dafür zu definieren, ein
Hinweis, dass ihre Zeit vorbei ist. Nun aber gibt es doch
interessante Angriffe auf die noch geschäftsführende Regierungschefin
– als da wären: Aus der FDP unter dem Vorsitzenden Christian Lindner
lässt sich plötzlich vernehmen, die Partei stehe für neue
Jamaika-Gespräche bereit, falls keine große Koalition zustande kommt.
Nicht ausgesprochen, wohl aber mitgedacht, wäre der Preis dafür der
Verzicht Merkels auf eine erneute Kandidatur. Man weiß von Lindner,
dass er im Wahlkampf erwog, eine Regierungsbeteiligung der FDP nur
für den Fall des Rückzugs der Kanzlerin anzubieten und dies zum
Wahlkampfthema zu machen. Er verzichtete schließlich darauf – aus
welchen Gründen auch immer. Diesen Plan erneut hervorzuholen – das
wäre schon eine bitter-böse liberale Intrige. Christian Lindner ist
befreundet mit Jens Spahn. Von diesem CDU-Politiker weiß man, dass er
den Generationswechsel im Kanzleramt gern beschleunigen würde. Eine
Regierung ohne Merkel wäre ihm – auch wegen eigener Karriere-Träume –
sehr recht. Nun verkündet Spahn, er könne sich auch eine
Minderheitsregierung sehr gut vorstellen. Denn dies hat Merkel für
sich ausgeschlossen. Dass Spahn dies neu ins Spiel bringt, wird
intern ebenfalls mit dem Ziel verbunden, Merkel aus dem Kanzleramt zu
hebeln. Die AfD gründet ihre gesamte Kandidatur und ihr Abschneiden
auf ein wesentliches Ziel: Merkel muss weg, schrieb sie auf ihre
Plakate. Dass auch die SPD sich mit einer Kanzlerin Merkel nicht
leicht tut, ist nach ihren Koalitionsjahren nicht überraschend. Sie
dürfte aber – gleich, wie stark sie sich nach ihrem Parteitag fühlt –
der Versuchung widerstehen, sich zum Vollzugsorgan dieser
fragwürdigen Anti-Merkel-Troika aus FDP-, Unions- und AfD-Politikern
machen zu lassen. Das Volk mag den Verrat lieben, den Verräter liebt
es nicht. Lindner und Spahn bekommen das schon zu spüren. Man muss
kein Freund der Kanzlerin sein, um dieses Intrigenspiel von Freunden,
Feinden und Parteifreunden gegen sie für widerlich zu halten. So
etwas mag für Bayern der Weg zu einem neuen Ministerpräsidenten sein.
Für den Bund taugt das nicht. Im Gegenteil: Solch unwürdiges
Schwarze-Peter-Spiel disqualifiziert für verantwortliches Handeln in
einer Regierung.

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