Neue Westfälische (Bielefeld): Rösler auf dem FDP-Parteitag Vorerst gerettet ALEXANDRA JACOBSON, BERLIN

Ein Befreiungsschlag war der Karlsruher
Parteitag für den FDP-Chef Philipp Rösler nicht. Der Applaus der
Delegierten für seine längliche, anstrengende Rede fiel vor allem
höflich aus. Vor zwei Schicksalswahlen wollte man den als schwach
empfundenen Vorsitzenden nicht weiter demontieren. Von daher ist
Rösler nur vorerst gerettet. Der junge Parteichef, der noch vor einem
Jahr mit einer originellen Rede in Rostock begeisterte, hat sich
erkennbar in die falsche Ecke manövriert. Das Westerwelle-Mantra von
der Steuersenkung hat er durch die Beschwörungsformel vom Wachstum
ersetzt. Ob Toleranz oder Bildung – alles presste Rösler in seiner
75-Minuten-Rede in ein Korsett mit Aufschrift Wachstum. Damit lockt
man aber niemand hinter dem Ofen hervor. Denn dass es vorteilhafter
ist, wenn die Wirtschaft wächst, als wenn sie schrumpft, ist eine
Banalität. Und so blieb in Karlsruhe viel Luft für den neuen, alten
Hoffnungsträger: Christian Lindner entpuppt sich kurz nach seiner
mysteriösen Auszeit wieder als Lichtgestalt der FDP. Und das, obwohl
sich der Spitzenkandidat aus NRW die Freiheit herausnimmt, den
selbstgerechten Stil der ehemaligen FDP-Führung zu kritisieren und
zur Bescheidenheit zu mahnen. Lindner hat recht: Demut und
Neubesinnung sind notwendig für die Genesung der Liberalen. Aber
Lindners Strahlkraft kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass die FDP
keine Machtoption mehr besitzt. An Rhein und Ruhr geht es genau wie
in Kiel allein darum, wieder ins Parlament zu gelangen. Es geht ums
Überleben. Auf gestaltenden Einfluss kann die FDP vorerst nicht mehr
hoffen. Bis die Freidemokraten das Vertrauen der Wähler
wiedergewinnen, dürften einige Jahre ins Land gehen. Aber ob Philipp
Rösler die FDP auf diesem Weg noch lange als Parteichef anführen
wird, ist nach dem Karlsruher Parteitag fraglicher denn je.

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