Neue Westfälische (Bielefeld): Studie zu Mindestlohn und Schattenwirtschaft¶ Kinderkrankheiten Wolfgang Mulke, Berlin

Der Mindestlohn von 8,50 Euro pro Stunde gilt
gerade mal seit einem Monat. Und schon wird über den Erfolg oder
Misserfolg der gesetzlichen Regelung debattiert. So prognostiziert
ein Tübinger Institut einen Anstieg der Schwarzarbeit durch die
Einführung einer Lohnuntergrenze. Natürlich liegt diese Vermutung
nahe. Doch das genannte Ausmaß von 1,5 Milliarden Euro ist angesichts
der gesamten Wirtschaftsleistung Deutschlands minimal. Ein Argument
gegen den Mindestlohn lässt sich daraus nicht ableiten. An anderer
Stelle haben Kritiker schon eher den Finger an der richtigen Stelle
in die Wunde gelegt. Arbeitsministerin Andrea Nahles ist mit dem
Versuch, möglichst alles kontrollfähig zu machen, über das Ziel
hinausgeschossen. Ein Beispiel für eine absurde Folge der geltenden
Regelung ist der Transitverkehr. Theoretisch müsste die weißrussische
Fluggesellschaft ihren Stewardessen beim Überflug deutschen
Hoheitsgebiets den Mindestlohn bezahlen. Ebenso stehen die
chinesische Reederei nach der Einfahrt in deutsche Gewässer oder der
polnische Spediteur auf dem Weg von Warschau nach Paris auf den
deutschen Autobahnen in dieser Pflicht. Nahles wollte
Umgehungsversuche unterbinden. Herausgekommen ist ein unpraktikables
Bürokratiemonster. Gut, dass der Vollzug erst einmal ausgesetzt
wurde. Auch bei anderen Jobs stimmen die Anforderungen an die
Dokumentationspflichten der Arbeitgeber nicht mit der
Lebenswirklichkeit überein. Eine Kommission soll nun die Wirkungen
prüfen und Änderungen vorschlagen. Das ist der bessere Weg als die
nun von der CSU und den Arbeitgebern geforderte schnelle
Vereinfachung der Vorschriften. Dahinter steckt noch die generelle
Skepsis gegen eine Lohngarantie. Damit muss langsam Schluss sein. Der
Mindestlohn soll der Abwärtsspirale bei den Niedriglöhnen ein Ende
setzen, und das will eine Mehrheit der Gesellschaft. Es ist bisher
nicht zu dem von der Wirtschaft heraufbeschworenen Arbeitsplatzabbau
gekommen. Dass bei der Einführung komplizierter Regeln am Anfang
etwas schieflaufen kann und Kinderkrankheiten zutage treten, gehört
dazu. Das muss korrigiert werden. Ein Zurück zum Lohndumping darf es
aber nicht geben.

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