Willy Brandt hatte sich das anders vorgestellt.
Seine Erwartung war, dass in Deutschland nach dem Fall der Mauer nun
zusammenwachse, was zusammengehört. Das war viel angemessener, als es
Helmut Kohls Gerede von blühenden Landschaften je sein konnte. Allein
– es scheitern offenbar beide Visionen an der Realität. Dass es mit
den blühenden Landschaften nicht einfach werden dürfte, war früh
abzusehen. Dass Ossis und Wessis aber nach nun gut 22 Jahren
deutscher Vereinigung – fast einer vollständigen Generation also –
immer noch in alten, überkommenen Urteilen beziehungsweise
Vorurteilen verharren, ist bedenklich. Natürlich hat jede
Landsmannschaft Eigenheiten: der Bayer krachledern, der Franke
betulich, der Schwabe kompliziert, der Niedersachse erdverwachsen,
der Rheinländer oberflächlich, der Ostwestfale mürrisch und so
weiter. Und natürlich stimmt das im Einzelfall nie und ist immer
übertrieben. Darum geht es hier aber nicht. Hier wird der Westen
versammelt gegen den Osten in Stellung gebracht. Und umgekehrt.
Daraus muss man schließen, dass es bislang nicht gelungen ist, die
Gräben fehlender gemeinsamer Nachkriegsjahre einzuebnen. Das ist
bitter und brisant. Nicht etwa, weil wir noch Zeit zum
Zusammenwachsen oder für blühende Landschaften brauchen. Nein, der
Mangel an gesamtdeutscher Identität ist eine Wurzel für das Aufkeimen
rechtsradikalen Gedankenguts, weil sich darin Eifersucht und Neid von
Ost und West spiegeln. Das ist die aktuelle deutsche Wahrheit.
Pressekontakt:
Neue Westfälische
News Desk
Telefon: 0521 555 271
nachrichten@neue-westfaelische.de
Weitere Informationen unter:
http://