Neue Westfälische (Bielefeld): Umgang mit Uli Hoeneß Großmut macht die Gesellschaft stark¶

Uli Hoeneß wird nicht in Revision gehen, sondern
ins Gefängnis. Er akzeptiert das Urteil wegen Steuerhinterziehung und
legt alle seine Ämter beim FC Bayern München nieder. Auch wenn seine
erste Reaktion noch von Trotz gekennzeichnet war und er gegen das
Urteil vorgehen wollte, ist das jetzt eine vernünftige Entscheidung.
Die einzige vernünftige Entscheidung. Hätte er starrsinnig am Kampf
festgehalten, niemand nähme ihm seine vor Gericht geäußerte Reue ab.
Er hat mit seiner Einsicht Boden gutgemacht und Pluspunkte gesammelt.
Auf freilich aktuell niedrigem Niveau. Ja, der Ex-Bayernpräsident ist
völlig zu recht verurteilt worden. Dafür ist der Rechtsstaat
zuständig. Deshalb verdient dieser das Vertrauen der Menschen, der
Gesellschaft. Erschreckend waren jedoch die Reaktionen von Teilen der
Öffentlichkeit auf das Urteil. Häme, fast Hass wurden über Hoeneß
ausgeschüttet. Vor allem im Internet, wo die anonymen Hetztiraden
sowieso häufig zu lesen sind. Aber auch Teile der Medien – das muss
an dieser Stelle auch gesagt werden – haben sich in herabwürdigender
Art und Weise über Uli Hoeneß hergemacht. Als wollte man einen
Menschen, der einen großen Fehler gemacht hat, komplett vernichten.
Immer noch mal drauf auf den, der schon am Boden liegt. Macht sich
auch nur einer Gedanken darüber, was es menschlich bedeuten kann, vom
Olymp direkt in den Abgrund zu stürzen? Doch das Niedermachen hat
inzwischen System in Deutschland. Wer Fehler macht, wird vernichtet.
Die FDP-Spitzenpolitiker wurden nach dem Desaster der Liberalen bei
der jüngsten Bundestagswahl persönlich so sehr angegriffen, dass sie
ihre Internetauftritte abschalten mussten. Es wurde zu unerträglich.
Bischof Franz-Peter Tebartz-van-Elst wurde beschimpft, dass sich ein
normal zivilisierter Mensch schämen müsste. Und auch beim Fall von
Ex-Bundespräsident Christian Wulff gab es Auswüchse. Kritik ist gut
und richtig. Fehler und Fehlverhalten müssen benannt und
gegebenenfalls geahndet werden, um Zusammenleben in einer
Gesellschaft zu ermöglichen. Es kann nicht jeder tun, was ihm allein
behagt und der Gemeinschaft schadet. Sicher, wer jahrelang so
selbstgerecht daherkommt wie Uli Hoeneß oder die FDP, muss damit
rechnen, besonders hart angegangen zu werden. Aber auch dann sollte
die Verhältnismäßigkeit gewahrt bleiben. Wer Hoeneß mit dem
NSU-Mitglied Beate Zschäpe auf eine Stufe stellt, der überzieht.
Hoeneß hat „nur“ Steuern hinterzogen. Zschäpe war mutmaßlich an elf
niederträchtigen Morden zumindest im Hintergrund beteiligt. Auch der
Vergleich mit Kinderschändern und Sexualstraftätern verbietet sich.
Wenn sich der Wert oder die Menschlichkeit einer Gesellschaft daran
bemisst, wie sie mit den Schwächsten umgeht, ist es schlecht um uns
bestellt. Jeder Fehler wird gnadenlos ausgepfiffen. Ob im
Fußballstadion, im Kollegenkreis oder vor dem Gerichtssaal. Auch wenn
Hoeneß sehr lange stark und überbetont obenauf war und nun vielleicht
nur zeitweise schwach ist, weil er derzeit im krassen Licht seines
dramatischen Fehlers beurteilt wird und sich eventuell selbst so
sieht, gehört ihm doch Menschlichkeit entgegengebracht. Auch er muss
wie andere Täter die Möglichkeit der Reue und der Umkehr haben. Die
hat er nicht, wenn die Gesellschaft ihn menschlich vernichtet. Wer
daran mitwirkt, ist maßlos und selbstgerecht wie die, die er
fertigmacht. Das ist ein schlechtes Miteinander. Doch nur Großmut
macht unsere Gesellschaft stark.

Pressekontakt:
Neue Westfälische
News Desk
Telefon: 0521 555 271
nachrichten@neue-westfaelische.de

Weitere Informationen unter:
http://