neues deutschland: Chilenen wollen Sozialreformen/Martin Lingüber die Proteste gegen Fahrpreiserhöhungen

Treibstoffpreise haben soziale Sprengkraft. Was
gerade erst Ecuadors neoliberaler Präsident Lenín Moreno bei der
Streichung der Treibstoffsubventionen erlebt hat, musste nun auch
Chiles rechter Präsident Sebastián Piñera erleben: massive Proteste.
In Ecuador ging es für viele der Betroffenen schlicht um die
Existenz. Noch weit mehr als in Chile leben dort Menschen von der
Hand in den Mund, müssen jeden Centavo kalkulieren. Und mit höheren
Treibstoffpreisen wird ja nicht nur die Mobilität an sich teurer,
sondern auch Nahrungsmittel wegen gestiegener Transportkosten. Im
reicheren Chile trifft die Fahrpreiserhöhung von umgerechnet 1,01
Euro auf 1,05 Euro pro Fahrt die Allerärmsten eher nicht, die können
sich U-BahnFahren ohnehin nicht leisten, denn das ist dort im
lateinamerikanischen Vergleich mit Abstand am teuersten. In Chile war
diese Preiserhöhung der berühmte Tropfen, der das Fass zum Überlaufen
brauchte. Chile ist seit der Pinochet-Diktatur (1973-1990) das
neoliberale Vorzeigeland Lateinamerikas, und auch wenn
sozialdemokratische Präsidenten regierten wie Michelle Bachelet
(2006-2010 und 2014-2018), wurde im Grundsatz an dieser Ausrichtung
nichts geändert. Die Folgen der Privatisierung des Renten- und
Bildungssystems in der Diktatur sind bis heute in wachsender
Ungleichheit spürbar. Und auch unter Bachelet blieb eine umfassende
Bildungs-, Steuer- und Verfassungsreform aus. Die Rechnung bekommt
nun Piñera präsentiert und das zu Recht.

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