Es wäre bereits die dritte Mitgliederbefragung der
Linkspartei in nicht einmal zwei Jahren. Ein gutes Zeichen für die
rege Beteiligung der Basis an den Entscheidungsprozessen der Partei,
könnte man meinen. Mit der kleinen Einschränkung, dass es sich in den
ersten beiden Fällen – Zustimmung zur Struktur eines neuen Vorstandes
2010 und Bestätigung einer Parteitagsentscheidung über das
Grundsatzprogramm – um die Sanktionierung von zuvor bereits
getroffenen Entscheidungen handelte. Eine Befragung zu einzelnen
Kandidaten der nächsten Parteispitze würde das Konfliktmanagement
ausgewählter Teile der Partei – Führungsfiguren oder
Parteitagsdelegierte – außer Kraft setzen, das den Entscheidungen
bisher vorausging. Zumindest teilweise, denn das letzte Wort zur Wahl
der neuen Vorsitzenden hat der Parteitag. Aus genau diesem Grunde,
wegen der Unwägbarkeit des Ergebnisses, werden nun überraschend
deutlich und von erstaunlich großen Teilen der Partei Bedenken gegen
eine neuerliche Befragung der Parteibasis vorgetragen. Die
theoretisch gern vorgebrachte Forderung nach direkter Demokratie wird
plötzlich abgewogen in kühler Kalkulation, wie groß die Chancen
wären, die eigenen Interessen, den eigenen Kandidaten durchzusetzen.
Es ist aber falsch, diesen Vorwurf allein einer Seite zu machen.
Wenngleich es schon frappierend ist, wie schnell die
Prinzipienfestigkeit auf der scheinbar immer ein wenig radikaleren,
immer ein wenig prinzipieller argumentierenden Seite der Partei
verfliegt, sobald die Aussichten auf Erfolg von einem dieser
Prinzipien, dem der direkten Demokratie, gefährdet werden könnten.
Auch die hehren Argumente der Gegenseite, der sogenannten Reformer,
wirken nicht bis ins Letzte selbstlos und allein der direkten
Demokratie verpflichtet. Das Sammeln der eigenen Kräfte stellt sich
nun mal als Sammeln um den eigenen Kandidaten, um Fraktionsvize
Dietmar Bartsch dar, und seine Rivalität mit Oskar Lafontaine trifft
sich durchaus mit den vielfachen Vorbehalten gerade im Osten vor
allem gegen den Führungsstil des mächtigen Kontrahenten. Dass die
Anhängerschar Lafontaines gerade wegen dieses verdeckten persönlichen
Angriffs alarmiert reagiert und nur unwillig das Risiko der
vermeintliche Folgen für die Gesamtpartei in Kauf nimmt, gehört zur
Gemengelage hinzu. Die vier Landesvorstände Pro-Mitgliederbefragung
haben bisher keinen Antrag gestellt. Wenn Dietmar Bartsch die
Klausur, die eine deutliche Mehrheit gegen seinen Vorschlag zumindest
auf Funktionärsebene ergab, sie trotzdem freundlich und beinahe
erleichtert bewertet, hat dies wohl auch nur den einen Grund. Dass
Lafontaine selbst ihm mit einem einzigen Wort den Weg in die nächste
Führung geebnet hat. Nun tagen die »Gremien«. Es sind dieselben, die
auch bisher die Vorschläge zur Zusammensetzung der nächsten Führung
ausgehandelt haben.
Pressekontakt:
Neues Deutschland
Redaktion
Telefon: 030/2978-1715
Weitere Informationen unter:
http://