Gemessen am monatelangen Eiertanz um die
Machtkonstellation in Nordrhein-Westfalen ging gestern alles
erstaunlich glatt: Zweimal bekam Hannelore Kraft bei der Wahl zur
Ministerpräsidentin die volle Stimmenzahl von Rot-Grün, und die LINKE
spielte mit. Keine Intrige, keine Abweichler.
Damit ist – zumindest vorerst – eine Politakrobatik gelungen, die
vor allem SPD und Grünen höchste Gelenkigkeit abverlangte. Man hat
die hessische Lektion gelernt. Doch leichter wird es nun nicht.
Krafts Hoffnung auf »gute Kompromisse« nach allen Seiten ist
Augenwischerei. Denn CDU und FDP haben derzeit nicht das geringste
Interesse an einem Entgegenkommen. Im Gegenteil, schon aus
bundespolitischer Sicht wollen sie, dass der rot-grüne
Minderheitsversuch scheitert. Und zwar so scheitert, dass bald wieder
eine schwarz-gelbe Mehrheit folgt.
Die LINKE wird in jedem Fall neu abzuwägen haben, wie weit
Kompromisse gehen dürfen und wie hoch der Preis einer Verweigerung
gegen Rot-Grün wäre. Auch das: ein Drahtseilakt, zumal für
Parlamentsneulinge. Hannelore Kraft muss, wenn sie das Projekt
Minderheitsregierung als politische Chance und nicht nur als
Sprungbrett für den nächsten Wahlkampf versteht, der LINKEN
entgegenkommen. Deren Unterstützung braucht sie, nicht nur bei der
gestrigen Wahl. Insofern hätte am Ende ihres Amtseides die Formel »So
wahr mir die LINKE helfe« besser gepasst. Denn Gottes Stimme zählt
nicht im Plenarsaal.
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