neues deutschland: Kommentar zur Papst-Reise:Überhebliche Anschuldigungen

Was ist Papst Franziskus nicht kritisiert worden auf seiner Reise
nach Myanmar und Bangladesch. Er habe seine moralische Integrität und Autorität
verloren, weil er den Begriff »Rohingya« nicht verwendet habe und kein
Flüchtlingslager besuchte, warfen ihm Medien und Menschenrechtsorganisationen
vor. Dabei hatten ihn die Vertreter der katholischen Kirche in Myanmar explizit
gebeten, dies zu unterlassen. Vertreter der Bischofskonferenz des Landes legten
nahe, dass Berichte über ethnische Säuberungen in Rakhine nicht vertrauenswürdig
seien. Franziskus hat in Myanmar das Wort Rohingya öffentlich nicht in den Mund
genommen. In den Gesprächen mit Militär und Regierungsvertretern die Situation
aber angesprochen, ließ sein Sprecher durchblicken. In Bangladesh traf er sich
mit Rohingya-Flüchtlingen. Es ist die moralische Empörung der Besserwisser, die
Menschen erst zu Heiligen erklären, um sie dann bei der ersten nichtgenehmen
Handlung zu verdammen. Vor dem Papst geschah das in Myanmar auch Aung San Suu
Kyi, die sich um eine Lösung des komplexen Konflikts bemüht und deren
Möglichkeiten dazu, genau wie die von Franziskus, völlig falsch eingeschätzt
werden. Eine Auseinadersetzung mit dem Thema, dessen Schwierigkeiten, den
Lösungsansätzen und -versuchen, findet so nicht statt. Stattdessen werden Steine
in den Weg gelegt. Wo moralisiert wird, verengen sich Spielräume, wird Austausch
unmöglich. Vor den Kulissen genau wie dahinter.

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