neues deutschland: Kommentiert: Das Drama Schlecker

Zwei Jahre Haft auf Bewährung. Es ist erstaunlich,
dass Anton Schlecker dem Gefängnis entgeht – übrigens nur knapp, jede
höhere Strafe hätte nicht mehr zur Bewährung ausgesetzt werden
können. Doch nicht so sehr die Gerichtsentscheidung selbst ist die
Überraschung, sondern dass seine beiden Kinder ins Gefängnis kommen –
sollte das Urteil rechtskräftig werden. Schließlich haben nicht
wenige Zeugen im Prozess ausgesagt, dass ohne den Patriarchen an der
Spitze des Familienunternehmens gar nichts ging. Der 73-Jährige habe
quasi allein über sein Milliardenimperium geherrscht und keinen
Widerspruch geduldet. In dieser Manier hat er sein Unternehmen in den
Untergang geführt und rund 25 000 Beschäftigte vor die Tür gesetzt.
Viele von ihnen haben anschließend keinen gleichwertigen Job mehr
bekommen. Ihr Schicksal hat weder den beratungsresistenten Anton
Schlecker noch seine Kinder zu einer Entschuldigung bewogen – eine
Geste, die sich die ehemalige Betriebsratsvorsitzende mehr gewünscht
hat als eine Haftstrafe. Vergessen werden darf aber auch nicht: Im
Drama Schlecker wurden die »Schlecker-Frauen« nicht nur vom
Unternehmen allein gelassen, sondern auch von der Politik. Zwar
kündigten fast alle politischen Lager Hilfe an, doch die blieb aus.
Eine Transfergesellschaft scheiterte am Widerstand der FDP. Solange
sich hier nichts ändert, können Patriarchen wie Schlecker weiter
willkürlich walten. Auch wenn sie sich dabei mal eine Beule holen.

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