Es gibt Nachrichten, die machen glücklich – und
ratlos zugleich. Dass der Journalist Deniz Yücel nach einjähriger,
mit absurden Vorwürfen begründeter Haft endlich frei ist, ist
uneingeschränkt großartig. Da gibt es kein aber, hätte, sollte.
Gleichzeitig hinterlässt, was sich jüngst auf politischer Ebene
abspielte, einen bitteren Beigeschmack – bitter vor allem, da
weiterhin so viele Menschen, die Mehrheit ohne internationale
Unterstützung, unschuldig in türkischen Gefängnissen sitzen. Am
Mittwoch behauptete der türkische Ministerpräsident Yildirim in einem
Interview, er hoffe auf eine schnelle Freilassung Yücels. Doch die
Entscheidung obliege nicht nicht ihm, sondern der Justiz. Dass zwei
Tage später und wenige Stunden nach seinem Besuch bei Merkel
plötzlich die Anklageschrift vorlag und die Freilassung angeordnet
wurde, konterkariert diese Aussage und zeigt einmal mehr: Die
türkische Justiz ist nicht unabhängig, sondern folgt den Weisungen
der Regierung. Es war eine politische Entscheidung, Yücel als Geisel
zu nehmen, und eine politische Entscheidung, ihn zu entlassen. Ob
Lösegeld geflossen ist, darüber schießen nun die Spekulationen ins
Kraut. Ein neuer Panzerdeal? Besteht ein Zusammenhang zwischen dem
härteren Vorgehen gegen PKK-nahe kurdische Vereine in Deutschland und
der Freilassung? Werden die Verhandlungen über eine Ausweitung der
Zollunion wieder aufgenommen? Was es auch war, das Signal könnte
fatal sein. Denn wenn ein Geiselnehmer mit seiner Masche durchkommt,
wird er wieder zuschlagen.
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