neues deutschland: Kommentiert: Die Wirkung des Mladic-Urteils ist ungenügend

Rund 160 Urteile sprach das Internationalen
Kriegsverbrechertribunal. Gestern erging das letzte in erster
Instanz: Lebenslänglich. Ratko Mladic, der militärische Führer der
bosnischen Serben wurde für schuldig befunden, im jugoslawischen
Bürgerkrieg Völkermord sowie andere schwere Kriegsverbrechen begangen
zu haben. Das Urteil war notwendig und ist konsequent. Doch was
bewirkt es dort, wo einst Nachbarn über Nachbarn so blutig
hergefallen sind? Wird es die seit Jahrzehnten wachsende Last von
Leid und Schuld abbauen helfen? Hilft es, über Feindschaft hinweg zu
Ehrlichkeit und damit zu Vertrauen zu gelangen? Kaum. Je nach eigenem
Kriegserleben bleibt Mladic Held oder Monster. Das mag sich
verwachsen. Über Generationen. Langlebiger ist eine scheinbare
Absurdität. In den Gebieten des grausigen Geschehens ist der
Nationalismus heute größer als bei Ausbruch der Bürgerkriege.
Vielgestaltige ethnische Ab- und Ausgrenzungen führten dazu, dass es
weniger Kontakt und damit weniger Verständnis zwischen Angehörigen
verschiedener Volksgruppen gibt. Die vor allem wirtschaftlich
begründete Hoffnungslosigkeit und das eigennützige politische
Taktieren der EU auf dem Balkan tragen dazu bei, dass sich Narben
nicht schließen. Die Richter haben Mladic– Verantwortung für die
unvorstellbaren Massaker von Srebrenica und Sarajevo festgestellt.
Was zu deren Erklärung noch fehlt, ist die Offenlegung von
Kriegstagebüchern beteiligter NATO-Staaten.

Pressekontakt:
neues deutschland
Redaktion

Telefon: 030/2978-1722

Original-Content von: neues deutschland, übermittelt durch news aktuell