Eine Rede im Vorhinein mit dem Prädikat »groß« zu
adeln, wie es Obama tat oder tun ließ, ist selten ein gutes Zeichen
gewesen. Die meisten Beobachter sehen denn auch derlei
Vorschusslorbeer nicht gerechtfertigt. Obamas Ausführungen waren eher
bedenklich als beachtlich. In der Konkretheit der Aussagen
blieb der US-Präsident deutlich hinter der Kairoer Rede von 2009
zurück, die damals nach den rüden bis peinlichen Umgangsformen der
Bush-Ära durchaus Hoffnungen in der islamischen Welt geweckt hatte.
Aber nicht einmal die blumigen Passagen zum »Arabischen Frühling«
werden bei den Volksmassen in der orientalischen Welt auf viel
Wohlgefallen gestoßen sein. Es ist eben wenig glaubwürdig, wenn ihnen
ausgerechnet ein US-Präsident das Hohelied der »moralischen Kraft der
Gewaltlosigkeit« singt. Wo die USA tagtäglich dieses anderen
anempfohlene Prinzip mit Füßen treten. Außerdem nichts zu einem Abzug
aus Afghanistan oder Irak und auch nichts zum unerklärten
Drohnenkrieg gegen Pakistan. Ernüchternd geradezu Obamas
Vorstellungen zum Nahen Osten. Der fortwährende Ausbau israelischer
Siedlungen auf Palästinenser-Gebiet, das Schicksal Hunderttausender
Flüchtlinge – vor zwei Jahren noch von ihm selbst zu Kernproblemen
erklärt – hier hat er kleinlaut den Rückzug angetreten. Und die neue
nahöstliche Gretchenfrage rückt immer näher: Wie stehen die USA zur
Ausrufung eines palästinensischen Staates?
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