neues deutschland: Paris im Krieg

Kennen Sie noch Romano Prodi? Der einstige
EU-Kommissionspräsident ist seit einiger Zeit UN-Sondergesandter für
den Sahel. Diplomatische Erfolge konnte er dort nicht feiern, und ein
schlechter Prophet ist er auch. Kaum hat er erklärt, dass
militärische Aktionen in Mali nicht vor September zu erwarten seien,
wandelt Präsident François Hollande im Alleingang auf den Spuren
seines Vorgängers und will sich mit einer politischen Kehrtwende als
Kriegsherr die Gunst der Franzosen zurückerobern – ohne Rücksprache
mit ihren Volksvertretern übrigens, die erst heute informiert werden.
Nicolas Sarkozy trieb einst die NATO in den Libyen-Krieg. Und es
gehört zum Zynismus der Zeitgeschichte, dass Kämpfer und Waffen von
damals auch dank korrupter Politiker und putschender Militärs in
Bamako später den Brandherd Mali entfachten, den Hollande nun mit
Gewalt zu löschen gedenkt. Alles natürlich, um das Leid jener
Menschen zu lindern, die inzwischen nicht nur vor den
Steinzeit-Islamisten, sondern auch vor den Bomben französischer
Kampfflugzeuge fliehen. Dass es dabei um geostrategische Interessen
der Grande Nation geht, verschweigt der Sozialist lieber. So wie der
Westen gern die verheerende Rolle Katars als Geldgeber für die
islamischen Extremisten übersieht oder die beschlossene
Ausbildungsmission der EU für die Putschisten in Bamako letztlich
nichts anderes ist als ein getarnter Militäreinsatz. Auch in Berlin
hört man immer wieder, dass in Mali ein neues Afghanistan verhindert
werden müsse. Vielleicht ist man gerade dabei, es zu erschaffen.

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