Vor der Parlamentswahl in Venezuela kritisiert der
Soziologe Edgardo Lander den Umgang der sozialistischen Regierung mit
der Krise. Dem »Öl-Sozialismus« sei der Boden unter den Füßen
weggezogen worden, als die Ölpreise drastisch zurückgingen. Die
Wechselkurspolitik führte schließlich zu den jetzigen massiven
Problemen. „Eine Wirtschaft, die derart unstrukturiert ausgerichtet
ist, in der es kaum Planungssicherheit gibt, keine Signale für Kosten
und Preise, in der der Alltag der meisten Menschen daran ausgerichtet
ist, damit umzugehen, kann einfach nicht funktionieren“, so Lander im
Interview mit der in Berlin erscheinenden Tageszeitung „neues
deutschland“ (Freitagausgabe). Schlimmer noch: „Die Regierung ist
unfähig, auf die Wirtschaftskrise zu antworten“, so Lander.
Für den in Caracas tätigen Lander war der von Hugo Chávez
proklamierte „Sozialismus des 21. Jahrhunderts“ der Anfang vom Ende
von Venezuela. „Damit begann ein Prozess der Schließung. Er wurde
leninistischer, einheitlicher, alles organisierter.“ Die ersten Jahre
des Chavismus seien mit der Wiedergewinnung der Würde jener Menschen,
die gesellschaftlich unten stehen, und mit einem hohen Grad an
Aktivismus einhergegangen. „Diese Erfahrung lebt und bleibt“, meint
Lander. Die entscheidende Frage sei nun, ob der aktuelle Niedergang
diese Erfahrungen erhalte oder in Frustration ende.
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