Neues Deutschland: zu den Schüssen auf Osama bin Laden und dem Umgang mit Schwerverbrechern

Die Bundeskanzlerin hat jetzt ein Problem. Als
Christin hätte sie nicht sagen dürfen, dass sie sich freute über den
Tod Osama Bin Ladens. Und als Kanzlerin? Der US-Präsident hat ein
Problem. Er hätte konsequent bei der Version bleiben sollen, dass
Osama im Kampf oder wenigstens nach einem Kampf getötet wurde. Denn
das weiß jeder Freund des Western: Geschossen wird nicht auf den
wehrlosen, sondern nur auf den bewaffneten Bösewicht. Sonst ist es
Mord. Moralisieren als Politikersatz. Merkels Kritiker räumen ein,
auch sie seien erleichtert. Erleichterung ist angemessen, Freude
nicht? So groß sind die Unterschiede bei der Bewertung eines
Vorgangs, der selbst nicht in Frage gestellt wird. »Tötungen« Mord zu
nennen, fordert jenes Recht, mit dem der Westen gern eine moralische
Überlegenheit begründet – in den USA zumindest ohne Richterurteil, in
jedem Fall auch an Bösewichten. Eine Überdosis Western hat sich
mittlerweile in der Exekutive des Westens eingenistet. Auch die
Sicherungsverwahrung in Deutschland gehörte in dieses Filmfach. Zu
viel Empathie für Schwerverbrecher wurde gern den Kritikern
unterstellt. Selbst wenn Karlsruhe (erneut) anders entschieden und
sie weiter geduldet hätte, ging es doch um eine Zusatzstrafe für
bereits Verurteilte. Zum Schutz vor vermeintlichen Schwerverbrechern
sollte man nicht vom wilden Westen lernen wollen – oder gleich Teer
und Federn verteilen.

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