Neues Deutschland: zum Agentenaustausch USA-Russland

Orson Welles hat der Stadt mit seinem berühmten
Agententhriller »Der dritte Mann« einst ein ganz besonderes
filmisches Denkmal gesetzt. In kalten Kriegszeiten war Wien ein
regelrechter Magnet für Spione aus aller Herren Länder. Und auch 20
Jahre nach Ende des Ost-West-Konflikts soll Österreichs Hauptstadt
noch immer ein Tummelplatz für Schlapphüte aller Coleur sein. Die
müssen sich gestern wie in der Zeitmaschine gefühlt haben. Erstmals
wieder vollzogen Moskau und Washington an der Donau einen
spektakulären Agentenaustausch. Dass sich bei allem Dé-jà-vu doch
einiges geändert hat, zeigt das Rekordtempo, mit dem beide Seiten in
einem diplomatischen Meisterstück das einvernehmliche Finale dieser
ungewöhnliche Dokusoap inszenierten. Die Regierungen wollten
offensichtlich verhindern, dass die Affäre zur politischen Belastung
für bilaterale Beziehungen wird, die sich nach vielen Querelen gerade
wieder erholt haben. Und um große Sicherheitsfragen aus der Welt der
START-Verträge etwa ging es in dem Fall ja offensichtlich nicht. Kein
Wunder, dass im Kreml gestern der neue Geist im
russisch-amerikanischen Verhältnis und das tiefe gegenseitige
Verständnis und Vertrauen der Präsidenten beider Länder hervorgehoben
wurde. Was auch fragen lässt, wer in Washington das Drehbuch
genehmigt hat, um den Moskauer »Spionagering« so spektakulär
auffliegen zu lassen. Es soll Leute geben, die in dem Ganzen gar eine
gelungene PR-Show vermuten. Man darf auf die Fortsetzung gespannt
sein. Schließlich haben Obama und Medwedjew auch eine bessere
Zusammenarbeit der Geheimdienste vereinbart.

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