Neues Deutschland: zur europäischen Flüchtlingspolitik

Es ist derzeit viel von Solidarität die Rede in
EU-Europa. Rom fordert sie von den Partnern ein, um den »menschlichen
Tsunami« (Berlusconi) bewältigen zu können. Brüssel verlangt
solidarisches Handeln gegenüber »den unter Druck stehenden
Nachbarländern« (EU-Kommissarin Malmström). Selbst
Bundesinnenminister Friedrich betonte vor dem Treffen mit seinen
Amtskollegen, selbstverständlich werde Europa Italien unterstützen –
»wenn nötig«. Diesen Fall haben die Innenminister nicht gesehen. Über
die Flüchtlinge, die sich an die italienische Küste retten, haben
sie nicht gesprochen. Seit dem EU-Beschluss zu einer gemeinsamen
Einwanderungspolitik 1999 war dies ohnehin selten der Fall. Umso
häufiger ging es dagegen um den Ausbau von Frontex. Der Etat der
EU-Grenzschutzagentur stieg von 6,3 Millionen Euro 2005 auf über 87
Millionen im vergangenen Jahr, um die Abwehr von Migranten noch
effizienter erledigen zu können. Dass die Menschenrechte auf Asyl,
das Verlassen jedes Landes und menschenwürdige Behandlung verletzt
werden, stört die EU – trotz regelmäßiger Betonung dieser
»europäischen Werte« – nicht. Wohl aber, dass Italiens Premier nun
seinen »Partnern« mit der Visavergabe an die Flüchtlinge droht. Ein
klarer Bruch von EU-Recht, heißt es empört in Berlin, Wien und Paris.
Bei Geld und Aufwand in der Flüchtlingsfrage und der Sorge um eine
ausländerskeptische Wählerklientel ist man in einigen EU-Staaten dann
doch sehr empfindlich.

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