NRZ: Bequemes Prinzip Hoffnung – ein Kommentar von TOBIAS BLASIUS

Michael Bertrams ist der Quälgeist jeder
Landesregierung. Das liegt jedoch weniger am obersten Richter
Nordrhein-Westfalens als vielmehr an den Regierenden jedweder Couleur
in Düsseldorf, die sich zuweilen erschreckend wenig um die
Landesverfassung scheren. Gestern hat Bertrams, der Präsident des
Verfassungsgerichtshofs in Münster, nicht zum ersten Mal
NRW-Finanzminister Norbert Walter-Borjans in die Schranken gewiesen.
Der SPD-Politiker hatte die Budgetverantwortung des Landtags,
immerhin das Königsrechts eines Parlaments, grob missachtet und den
Etat viel zu spät beraten lassen. Dass in der Vergangenheit auch
selbst ernannte Finanzexperten von CDU und FDP manches Mal in Münster
juristisch Schiffbruch erlitten, macht die Sache nicht besser.

Sorglosigkeit im Umgang mit den Landesfinanzen lässt Rot-Grün auch
wieder bei der Aufstellung des Landeshaushalts 2013 erkennen. Es ist
zwar entschuldbar, dass das Zahlenwerk wegen der zwischenzeitlichen
Neuwahlen nicht fristgerecht dem Parlament überstellt wurde. Doch die
hohe Kreditaufnahme von 3,5 Milliarden Euro in Zeiten prächtiger
Steuereinnahmen und niedriger Zinsen lässt jedes politische Gespür
für Sparzwänge vermissen. Wo bleibt die Idee einschneidender
Veränderungen in der Etatplanung? Selbst von den Zwängen einer
Minderheitsregierung befreit, setzt Rot-Grün in der Finanzpolitik auf
das bequeme Prinzip Hoffnung. Richten sollen es irgendwann und
irgendwie „Präventionsrenditen“, „Demografiegewinne“ und
Steuererhöhungen im Bund.

Walter-Borjans hat ja Recht, wenn er auf die Schwierigkeiten des
Kürzens verweist, weil sich nun einmal jede Landesausgabe gut
begründen lasse. Da sei an ein Wort der stellvertretenden
Ministerpräsidentin Sylvia Löhrmann (Grüne) in anderem Zusammenhang
während der Koalitionsverhandlungen erinnert: „Wenn die Dinge leicht
wären, könnte sie ja jeder.“

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