Im August kommenden Jahres wird es nicht genügend
Ganztagsbetreuungsplätze für Kinder unter drei Jahren geben;
jedenfalls nicht so viele, dass dem Rechtsanspruch auf einen
Kita-Platz Genüge getan werden könnte. Eine Blamage mit Ansage:
Bereits in den vergangenen Jahren hatte es sich abgezeichnet, dass
der 2007 von der Großen Koalition beschlossene Kita-Ausbau unter den
Zielvorgaben bleiben würde. Es war früh klar, dass Kommunen in
Westdeutschland, wo die Betreuung von Kleinkindern keine Tradition
wie in Ostdeutschland hat, mit den gewaltigen Investitionen
überfordert sein würden.
Die Verfehlung der Ausbau-Ziele ist ärgerlich: Weil sie so lange
absehbar war; weil jetzt auf die Städte und Gemeinden eine Klagewelle
zurollt; weil es gerade die klammen Städte sind, die eine
Sozialstruktur haben, die ein flächendeckendes Betreuungsangebot
dringend notwendig macht; vor allem aber, weil die Ausbau-Ziele
richtig erkannten gesellschaftlichen Veränderungen Rechnung getragen
haben. Die traditionellen Familienstrukturen – Vater ist
Alleinverdiener, Mutter betreut die Kinder zu Hause – sind längst
aufgebrochen, auch wenn manche Nostalgiker in konservativen Kreisen
das nicht wahr haben wollen. Das ist nicht nur Ausdruck weiblicher
Emanzipation, sondern allzu oft schlichte ökonomische Notwendigkeit:
Ohne ein doppeltes Einkommen kommen viele Familien einfach nicht mehr
über die Runden. Ganz zu schweigen von den zahlreichen
alleinerziehenden Müttern.
Ein Mangel an Krippenplätzen in Kombination mit dem Betreuungsgeld
wird dazu führen, dass speziell Kinder aus sozial abgehängten und
bildungsfernen Schichten nicht in den Genuss frühkindlicher Bildung
kommen werden. Er zementiert zudem die Chancenungleichheit zwischen
den Geschlechtern. Sprich: Er ist ein gesellschaftspolitischer
Skandal.
Der Kita-Ausbau muss deshalb von Bund, Ländern und Kommunen
deutlich energischer angegangen werden als bisher – das gilt auch für
NRW. Mit der Investition in Steine ist es aber noch lange nicht
getan. In den kommenden Jahren werden Zehntausende Erzieherinnen und
Erzieher fehlen. Wenn die Politik hier nicht Abhilfe schafft, indem
sie den Beruf auch finanziell attraktiver gestaltet, scheitert das
ganze Ausbau-Projekt. Die Kinder sollen schließlich nicht aufbewahrt,
sondern betreut werden.
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