NRZ: Das Spitzel-Dilemma des Staates – ein Kommentar von WINFRIED DOLDERER

Gut möglich, dass nichts dran ist an der neuesten
Skandalgeschichte rund um das Zwickauer Terrortrio. Viel mehr als der
Hinweis eines Bundesanwalts, der sich zu erinnern meint, vor zehn
Jahren einen Namen auf einer Liste gesehen zu haben, liegt bislang ja
auch nicht vor. Und der Betroffene lässt aus der Haft dementieren.
Gut möglich also, dass die Affäre um die Mordtaten des
„Nationalsozialistischen Untergrunds“ für die Sicherheitsbehörden
nicht noch peinlicher wird als sie ohnehin schon ist. Noch
peinlicher, das hieße: Es wären gleich zwei Komplizen aus dem
unmittelbaren Umfeld des Trios gewesen, die jahrelang als V-Leute für
die Sicherheitsbehörden gewirkt hätten. Einer von ihnen ausgerechnet
der Lieferant der Mordwaffe – so lautet die neueste
Skandalgeschichte.

Was wäre gewonnen, sollte sie sich als unwahr erweisen? Es würde
nichts daran ändern, dass es einen V-Mann ja nachweislich gegeben
hat, der zehn Jahre lang für die Berliner Polizei spitzelte. Er will
2002 auch mit einem Hinweis gedient haben. Der aber verlor sich im
Behördendickicht. Die Frage drängt sich auf: Wozu hat man dann
V-Leute?

Weil authentische Auskünfte aus extremistischen Zirkeln anders
nicht zu beschaffen sind, lautet üblicherweise die Antwort der
Experten. Dagegen etwas einzuwenden, fällt schwer. Wer kann schon
mitreden, wo die Geheimhaltung regiert? Gar die Methoden
hinterfragen, wo unser aller Sicherheit auf dem Spiel steht? In Kauf
genommen wird dabei, dass der Staat gewaltgeneigte Extremisten
alimentiert. Und sich auf Gewährsleute verlassen muss, deren
Loyalität geteilt ist. Sie gilt dem Milieu, dem sie angehören.
Vielleicht auch der Behörde, die sie bezahlt. Welche Loyalität
überwiegt? Ist der Staat auf die sinistren Helfer angewiesen, um
Schlimmes zu verhüten? Im Zwickauer Fall wurde das Schlimmste nicht
verhindert. Das zumindest ist unbestritten.

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