NRZ: Deutschland steht im Abseits / Leitartikel von Rüdiger Oppers zum Militäreinsatz in Libyen

Militärische Gewalt muss das letzte Mittel sein, die
„Ultima Ratio“. Gerechte Kriege gibt es nicht, denn sie bringen immer
Tod und Leid auch über Unschuldige. Aber es gibt Fälle, in denen
Militäreinsätze gerechtfertigt sind. Gegen Gaddafi ging es nicht
anders. Keine politische Drohung, kein wirtschaftlicher Druck, kein
Embargo konnte den anscheinend irrsinnigen Diktator davon abhalten,
seine Bürger abzuschlachten.

Mit seltener Einmütigkeit hat die Staatengemeinschaft entschieden,
das libysche Volk vor seinem selbst ernannten „Führer“ zu schützen.
Massive Luftschläge verhindern, dass der Despot weiterhin eine mutige
Freiheitsbewegung massakriert. Hoffentlich kommen die Alliierten
nicht zu spät.

Viel zu lange hat sich die Welt von Gaddafi terrorisieren lassen.
In einer unappetitlichen Mischung aus Angst vor dem unberechenbaren
Terror-Paten und Gier nach seinen Öl-Milliarden haben einige
europäische Politiker gute Miene zum bösen Spiel gemacht. Allen voran
„Bunga-Bunga“-Berlusconi und Frankreichs populistischer Präsident
Sarkozy. Letzterer ist nun einer, der bei der Anti-Gaddafi-Front in
erster Reihe kämpft, vermutlich um seine innenpolitische Position vor
Wahlen zu stärken. Immerhin: Frankreich übernimmt Verantwortung,
ebenso wie Großbritannien und die USA, selbst die Arabische Liga hat
die Einrichtung einer Flugverbotszone gefordert.

In Europa steht Deutschland jetzt im Abseits. Zwischen den Reden
und Taten der Bundesregierung liegen Welten. Als es noch so schien,
als ob in Libyen die Aufstände nach ägyptischem Vorbild verlaufen
würden, war Mut billig, und Gaddafi wurde an der Interviewfront
tapfer bekämpft. Kanzlerin und Außenminister forderten, Gaddafi müsse
„ohne Wenn und Aber abtreten“. Besonders Guido Westerwelle betonte
immer wieder, Deutschland stehe fest an der Seite der
Freiheitsbewegung. Doch gerade der Liberalenchef wurde in Sachen
Libyen vom großen Zampano zum Zauderer. Als feststand, dass der
skurril wirkende Oberst kein Operettendiktator, sondern ein brutaler
Massenmörder ist, der in Hitler-Manier „verbrannte Erde“ anordnet,
ging Deutschland auf Tauchstation. Es ist blamabel, dass unser Land
bei der Entscheidung über die militärische Rettungsaktion für das von
einem mörderischen „Führer“ bedrohte libysche Volk mit Russland und
China, aber gegen unsere vorgeblich engsten Verbündeten, die USA und
Frankreich, gestimmt hat. Gerade wegen der deutschen Geschichte steht
es uns gut an, nicht mit „Hurra“ in jede Schlacht zu hetzen, aber wir
müssen auch nicht feige sein, wenn es darum geht, Tyrannen zu
stürzen.

Unser Außenminister hatte noch vor wenigen Wochen erstmals Profil
gezeigt, als er seinen „Genscher-Moment“ in Kairo erlebte. Da stand
er wirklich an der Seite der jungen Demokratie. Jetzt offenbart er,
dass die Bundesregierung keine Strategie für die Krise in Arabien
hat. Statt einer eindeutigen Unterstützung der UNO und der EU geht
die Bundesregierung einen nationalen Sonderweg und setzt unseren Ruf
als verlässlicher Bündnispartner aufs Spiel. Lob aus dem Ausland gibt
es bislang nur von einer Seite. „Die Deutschen haben sich gut
verhalten“, sagte Oberst Gaddafi.

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